Losert, Martin
Lernen beim Spielen
Spielmaterialien im Instrumentalunterricht
Ob Noten-Domino, Kreuzworträtsel oder Rhythmuskarten: Für den Instrumentalunterricht gibt es eine Vielzahl von musikalischen Spielen zum Kaufen oder Basteln. Martin Losert gibt einen ersten Überblick und erläutert den Einsatz der Spielmaterialien an ausgewählten Beispielen.
Die theoretische Diskussion zu den Themen Spielen und Spielmaterialien in der Pädagogik möchte ich an dieser Stelle nicht wiederholen, doch einige Anmerkungen und persönliche Zweifel, inwiefern es sich beim Einsatz von Musikspielen im Instrumentalunterricht um wirkliches Spielen handelt, erscheinen mir angebracht.1
Dass spielerische Aktivitäten in der Musikpädagogik so hoch geschätzt werden, hat damit zu tun, wie sich Kinder beim Spielen mit schier unglaublicher Konzentration, Hingabe, großer Ernsthaftigkeit und doch scheinbarer Mühelosigkeit einer Aufgabe widmen. Dieser Zustand wird als ideal für jeden Lernprozess angesehen. Ganz gleich, an welcher Spieltheorie man sich orientiert, scheinen deren Verfechter sich aber in einem Punkt einig zu sein: „Alles Spiel ist zunächst und vor allem ein freies Handeln. Befohlenes Spiel ist kein Spiel mehr.“2 „Spiel verfolgt keinen außerhalb seiner selbst liegenden Zweck. Es ist dadurch von der Arbeit, vom Kampfe ums Dasein, von der Not und von der Sorge, vom Ernst und den objektiven Wert- und Zweckordnungen abgehoben. Es ist von alledem frei.“3 Da aber jeder Unterricht einen Zweck verfolgt – die Schüler sollen klar bestimmbare Inhalte lernen4 –, scheinen Unterricht und Spiel zwei nicht miteinander vereinbare Kategorien zu sein. Lernspiele bzw. der Gebrauch von Spielmaterialien in pädagogischen Zusammenhängen sind demnach keine Spiele, sondern pädagogisch intendierte Handlungen. Hans Scheuerl spricht in diesem Zusammenhang von spielerischer Einkleidung.5
Wer aber selbst einmal Musikspiele im Unterricht verwendet hat, kennt den Effekt, dass auch Lernspiele zuweilen in echte Spielsituationen münden können. Anfänglich als Übungen für einzelne kognitive, musikalische oder motorische Fähigkeiten gedacht, verlieren sie beim Tun ihren oktroyierten Gestus und werden zum echten Spiel. Dazu ist es allerdings nötig, dass alle am Spiel Beteiligten sich auf das Spiel wirklich einlassen. Dies betrifft nicht nur die SchülerInnen, sondern vor allem auch die Lehrenden. Auch sie müssen voll in das Spielgeschehen eintauchen. Sie müssen den von ihnen selbst intendierten pädagogischen Zweck des Spiels während des Spielens vergessen. Das ursprüngliche Ziel, mit dem ein Spiel in einer Unterrichtssituation angeregt wurde, muss beim Spielen völlig in den Hintergrund rücken. Wirkliches Spielen findet nur um des Spielens willen statt, Lernen ist hierbei allenfalls ein Nebenprodukt.
Rhythmuskarten
Genau genommen handelt es sich beim Einsatz von Rhythmuskarten nicht um echte Spiele, sondern um spielerische Einkleidung von Lernmaterialien. Ungeachtet dessen werden Rhythmuskarten oft als „Lernspiele“ vertrieben. Im Instrumentalunterricht hängt es maßgeblich von der Aufgabenstellung ab, inwieweit es gelingt, Übungen mit Rhythmuskarten in spielerische Situationen zu verwandeln.
Von den im Handel erhältlichen Rhythmuskarten ist Das Rhythmus-Einmaleins von Anselm Ernst zu empfehlen.6 Umfang und Verarbeitung schlagen sich leider im Preis nieder. Wer weniger Geld anlegen möchte, findet eine Reihe von Angeboten, die hinsichtlich ihrer Funktionalität ähnlich aufgebaut sind, in der Verarbeitung allerdings nicht an Das Rhythmus-Einmaleins herankommen.7 Auch selbst gebastelte Karten erfüllen im Prinzip dieselbe Funktion.
1 zur Diskussion von Spielen in der Pädagogik siehe Andreas Flitner: Spielen-Lernen. Praxis und Deutung des Kinderspiels, Weinheim 1998/112002; zum Verhältnis von Spielen und Musizieren siehe Hans Heinrich Eggebrecht: „Spiel“, in: ders.: Die Musik und das Schöne, München 1997 sowie Christoph Richter: „Musik und Musizieren“, in: ders.: Instrumental- und Vokalpädagogik 1. Grundlagen (= Handbuch der Musikpädagogik Bd. 2), Kassel 1993, S. 83-91.
2 siehe Johan Huizinga: Homo Ludens, Hamburg 1956, S. 16.
3 siehe Hans Scheuerl: Das Spiel, Weinheim 1954/1979, S. 69-70. Entsprechendes findet sich auch bei Roger Caillois: Die Spiele und die Menschen, Frankfurt am Main 1958/1982, S. 11-17.
4 Dies gilt auch, wenn SchülerInnen die Inhalte, Themen und Methoden des Unterrichts selbst bestimmen. Ein vollkommen zweckfreier Unterricht würde seine pädagogische Funktion verlieren.
5 Scheuerl, S. 218-221.
6 Anselm Ernst: Das Rhythmus-Einmaleins, Mainz 1999.
7 siehe z. B. Alfred Eickholt/Matthias Kijewski/Dieter Kreidler/Anke Lepper u. a.: Notenkartenspiel. Spiele mit Takt und Rhythmus, Mainz 1993.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2010.