Schlimp, Karen

Lernen im eigenen Zeitmaß

Ständig im Fluss bleilben: ein Musizierkonzept für heterogene Gruppen

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 4/2016 , Seite 26

Sprechen, gehen, singen, spielen, klatschen, hören, entspannen, gestalten – und das alles gleichzeitig. Totale Überforderung? Oder Teil eines klingenden Ganzen, in dem man jederzeit die Perspektive wechseln kann und gar nicht mehr aufhören möchten. Karen Schlimp erläutert, wie Elemente und Prinzipien der TaKeTiNa®-Rhythmuspädagogik mit einfachen, spontanen Arrangements und Improvisation verbunden werden können – eine Methode für Ensembles, die nicht davon ausgeht, dass das Material zuvor geübt wurde. Gelernt wird im Tun, jeder in seinem Zeitmaß und auf seinem individuellen Niveau.

Menschen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Fertigkeiten und mit verschiedenen Instrumenten kommen zusammen. Die SpielerInnen ordnen sich im Kreis an, in der Mitte gibt es einen mit Matten ausgelegten Hörbereich zum Hinlegen. Mit Rhythmussilben wird ein Takt eingeführt. Alle sprechen mit. Einen der Rhythmen übertragen wir auf die Füße. Sind die Füße stabil, machen wir Spiele zur bewussten Ablenkung der Konzent­ration von den Füßen und geben z. B. einen Stimmklang („Hej“) mit einem Händedruck schnell im Kreis weiter. Durch diese Ablenkung kommen die Füße durcheinander, finden anschließend aber umso stabiler wieder in den Rhythmus zurück.
Ist der Rhythmus in den Füßen verankert, wird eine neue Ebene in den Händen eingeführt: Klatschen auf den Offbeats. Hier beginnt für jeden Mitspieler die Entscheidung, wie viel er mitmachen möchte: nur Silben sprechen, mit den Füßen stampfen oder alle drei Ebenen gleichzeitig. SpielerInnen, die das als herausfordernd erleben, werden eingeladen, bei einem Pattern zu bleiben. Diejenigen, die sich leicht tun, werden angeregt, beim Klatschen Rhythmen zu variieren.
Während die Gruppe weitermacht, suche ich drei SpielerInnen aus und zeige ihnen die Töne, die sie spielen können. Die Ebene der Füße wird jetzt auf ein Bassfundament übertragen. So könnten etwa ein Xylofon, ein Cello und ein tiefes Blasinstrument zur Verfügung stehen. Diese spielen den Fußrhythmus oder die Schwerpunkte mit zwei verschiedenen Tönen. Weitere SpielerInnen und SängerInnen werden eingeteilt, ich singe die Töne vor, die Musizierenden singen und spielen diese nach. Ein Rhythmus-Bass-Akkordfundament ist gelegt.
Während die Musik immer weiterklingt, können die Musizierenden jetzt frei entscheiden, rhythmisch darüber zu improvisieren: mit Klatschen oder mit Geräuschen auf ihrem Inst­rument. Sie können auch Stimmen wechseln, im Sitzen zuhören oder sich in die Mitte legen zum Hören und um sich bespielen zu lassen.
Über diesem klingenden Fundament singe oder spiele ich die Melodie eines Refrains, die durch „Call & Response“ erlernt wird. Anschließend wird eine Strophen-Refrain-Struktur eingeführt. Immer wieder erklingt die gelernte Melodie, dazwischen improvisieren einzelne SpielerInnen ein Solo, während andere verschiedene Stimmen ausprobieren. Anschließend führe ich das Stück gestisch ins „fade out“. Die SpielerInnen setzen oder legen sich hin und lassen das Gespielte und Erlebte nachklingen.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2016.