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Drücker, Thorsten

Lieblingssong als Play-along

„Ableton live“ im Instrumentalunterricht (Teil 1)

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 6/2017 , musikschule )) DIREKT, Seite 06

Die Musiksoftware „Ableton Live“ ge­hört zu den erfolgreichsten Digital Audio Workstations (DAW) und ermöglicht vielfältige Praktiken des Komponierens, Produzierens und Aufführens von Musik. Im ersten Teil dieses Workshops möchte ich eine der Möglichkeiten aufzeigen, mit denen das Programm sinnvoll und ohne großen Aufwand in den Instrumentalunterricht integriert werden kann.

Ursprünglich für LivemusikerInnen ent­wickelt, hat sich Ableton Live besonders im Bereich der elektronischen Musik durchgesetzt. Es lässt sich aber auch in vielen anderen Bereichen kreativ einsetzen: Ich selbst nutze das Programm zum Beispiel in Theaterproduktionen und Konzerten unterschiedlicher Genres. Von Rock, Pop, Jazz bis hin zu zeitgenössischer E-Musik sind der Fantasie dabei keinerlei Grenzen gesetzt.
Im Vergleich zu anderer Musiksoftware wie beispielsweise Cubase oder Logic verfügt Ableton Live über zwei verschiedene Arbeitsebenen: die Arrangement-Ebene, in der einzelne Spuren des Audiomaterials untereinander dargestellt werden und horizontal (von links nach rechts), also linear im Ablauf des Songs verfolgt werden können (Abb. 1); und die Session-Ebene, in der das Audiomaterial in sogenannten Clips vertikal sortiert ist und die einzelnen Spuren bzw. Instrumente nebeneinander liegen, vergleichbar mit einem Mischpult (Abb. 2). Vor allem die Session-Ebene ermöglicht intuitives Improvisieren mit dem erzeugten Tonmaterial, da die unterschiedlichen Clips nach Belieben abgespielt werden können.

Einsatzmöglichkeiten im Instrumentalunterricht

Im Instrumentalunterricht gibt es vielfäl­tige Einsatzmöglichkeiten, von denen ich eine vorstellen möchte, bei der mit geringem Aufwand Play-alongs erstellt werden können, zu denen man im Instrumentalunterricht spielen kann.
Stellen Sie sich vor, Ihre Schülerin bringt ihren aktuellen Lieblingssong mit. „Das möchte ich gern spielen!“ Eine Aussage, die ich als Instrumentallehrer sehr häufig gehört habe. Die damit verbundene Motivation kann man gut für unterschiedliche Lernziele nutzen. Mit wenigen Schritten lassen sich nun aus dem Lieblingssong mit Hilfe von Ableton Live Play-alongs erstellen. Lassen Sie Ihre Schülerin zum Beispiel eine Timing-Übung zum Play-along spielen: „Versuche, exakt im Tempo des Songs einen einfachen Rhythmus zu klatschen oder zu spielen!“ Dieser Rhythmus kann zunächst aus einfachen Viertelnoten bestehen. Später können darauf aufbauend gemeinsam mit der Schülerin weitere eigene Rhythmuspatterns entwickelt werden, die zum jeweiligen Entwicklungsstand und Lernziel passen. Ableton Live kann die Songs in unterschiedlichen Tempi abspielen, sodass ein individuelles Übe­tempo eingestellt werden kann.
Oder Sie nutzen das Stück als Hörübung, um auf bisher unbekannte Hörerfahrungen aufmerksam zu machen: „Welche Instrumente oder Sounds hörst du in diesem Ausschnitt?“, „Welche Elemente aus anderen Songteilen fehlen hier, welche tauchen zum ersten Mal auf?“, „Kannst du dir für diesen Songausschnitt Klangfarben ausdenken, die dazu passen?“, „Welche Akkord­folge liegt diesem Ausschnitt zugrunde?“ Und natürlich als Improvisationsgrundlage: „Erfinde spontan eine Melodie, die zu dem Loop passt.“ Dazu gebe ich weiter unten zwei konkrete Praxisbeispiele.

How to do

Ich möchte Ihnen zunächst mit Hilfe einer Schritt-für-Schritt-Anleitung eine leicht zu realisierende Methode vorstellen, mit der Sie Ableton Live ausprobieren können. Sie benötigen einen Computer (Laptop oder Desktop; Mac oder Windows) mit einem Kopfhörerausgang oder Line-out sowie einer Möglichkeit, diesen an einen Lautsprecher anzuschließen. Dazu reichen häufig schon PC-Lautsprecher oder eine Stereoanlage (Klinkenkabelverbindung).
Die Software kann unter www.ableton.com heruntergeladen werden. Dort finden Sie verschieden ausgestattete, unterschiedlich teure Versionen der Software, aber auch eine kostenlose Testversion. Zum Ausprobieren und Kennenlernen der Software ist diese ausreichend. Für die Anwendung im Unterricht benötigen Sie mindestens die Version Ableton Intro.
Für das Erstellen eines Play-alongs wird dann lediglich die Software und eine Audiodatei benötigt, zum Beispiel der aktuelle Lieblingssong Ihrer Schülerin. In meinem Beispiel verwende ich den Song Something just like this von den Chainsmokers feat. Coldplay. Dieser Song hat, wie viele aktuelle Popsongs, einige längere Instrumentalpassagen und eignet sich daher optimal für dieses Projekt, da für kurze sich wieder­holende Ausschnitte (Loops) eines Songs Passagen mit Gesang in Dauerschleife ermüdend wären. Darüber hinaus besetzt der Gesang in Popsongs den Melodiepart, sodass ein solcher Loop wenig Spielraum für neue melodische Ideen lässt.
Sie können den Song z. B. bei iTunes oder Amazon kaufen und problemlos in das Programm importieren. Beachten Sie aber, dass Sie den Song zwar innerhalb des Programms bearbeiten und im Unterricht verwenden dürfen, eine Veröffentlichung aus rechtlichen Gründen allerdings nicht gestattet ist.

Schritt für Schritt: „Ableton Live“ zum Kennenlernen

1. Öffnen Sie das Programm.
2. Überprüfen Sie unter „Live > Voreinstellungen“, ob im Folder „Ordner“ der Kopfhörerausgang Ihres Rechners ausgewählt ist. Dieser heißt häufig ganz einfach „Audio out“. Wählen Sie diesen Ausgang aus.
3. Löschen Sie die beiden vorhandenen Spuren mit der Aufschrift „Midi“, indem Sie diese mit dem Cursor markieren und die Entfernen-Taste betätigen. Für unser Play-along benötigen wir maximal die beiden übrig gebliebenen Audio-Spuren.
4. Überprüfen Sie unter „Live > Voreinstellungen“ ob im Folder „Record-Warp-Launch“ die Funktion „Lange Samples automatisch warpen“ aktiviert ist. Sollte dies nicht der Fall sein, schalten Sie den entsprechenden Button unbedingt ein.
5. Wechseln Sie nun in die Arrangement-Ansicht. Die einzelnen Spuren liegen in dieser Ansicht übereinander.
6. Öffnen Sie den Ordner Ihres Rechners, in dem sich die gewünschte Audiodatei befindet. Die Oberfläche von Ableton Live sollte dabei weiterhin im Hintergrund zu sehen sein.
7. Bewegen Sie jetzt die Datei in die erste Spur, indem Sie diese mit dem Cursor festhalten, während Sie sie herüberziehen. Die Datei wird nun in Form einer Wellendarstellung angezeigt (siehe Abb. 1). Das Tempofenster oben links zeigt jetzt das errechnete Originaltempo des Songs an. Das Tempo kann später beliebig verändert werden (einfach eine andere BPM-Zahl eingeben und „Enter“ drücken).
8. Durch Betätigen der Leertaste starten Sie den Song. Zur Orientierung: Die Ziffern oberhalb der Spuren zeigen Ihnen die Taktzahlen des Titels an. Unterhalb der Spuren befindet sich die Zeitanzeige. Sollten Sie den Eindruck haben, dass der Song nicht von Beginn abgespielt wird, machen Sie Folgendes: Schieben Sie die Songdatei ein paar Takte nach rechts (mit Cursor greifen/gedrückt halten). Bewegen Sie den Cursor zur farbigen Leiste der Datei. Aus dem Pfeil wird nun eine eckige Klammer. Mit dieser Klammer können Sie die Datei nach links weiter öffnen. Anschließend die komplette Datei zum Beginn der Spur verschieben.
9. Wie Sie vielleicht schon bemerkt haben, beginnt der Beispielsong nicht exakt auf der ersten Zählzeit des ersten Takts. Mit Hilfe der Plus-Taste zoomen Sie näher in Takt 1 hinein, markieren den Pausen­bereich und wählen unter „Bearbeiten“ die Funktion „Zeitabschnitt ausschneiden“. Möglicherweise müssen Sie bei einem anderen Song ähnlich verfahren. Mit der Minus-Taste zoomen Sie wieder heraus.
10. Unterhalb der ersten Spur markieren Sie als nächstes durch Gedrückt-Halten und Ziehen des Cursors einen bestimmten Bereich. Wählen Sie als Probe die ersten zwei Takte aus. Sobald der Bereich markiert ist, wählen Sie unter „Erzeugen“ die Funktion „Zeit zu neuer Szene konsolidieren“ aus.
11. Wechseln Sie als nächstes über die TAB-Taste zurück in die Session-Ansicht. Nun sehen Sie, dass Ableton Live einen farbigen Clip erstellt hat. Dieser ist als end­loser Loop zu hören, sobald Sie auf das Clip-Dreieck links daneben klicken.
12. Erstellen Sie anschließend, wie in den Schritten 10 und 11 beschrieben, weitere Clips. Diese können dann in unterschied­licher Reihenfolge abgespielt werden.

In der Praxis

Das Potenzial der so entstandenen Clips für den Instrumentalunterricht erschließt sich beinahe von selbst: Mit Hilfe der unterschiedlichen Loops können ganz verschiedene Lerninhalte erarbeitet werden.

Beispiel 1: Melodieinstrument
Angenommen, die Schülerinnen und Schü­ler beherrschen auf ihrem Instrument die D-Dur- oder die h-Moll-Tonleiter und diese soll gefestigt werden, dann lässt sich dies mittels des entstandenen Play-alongs üben. Ich habe dazu die Takte 87-89 (Arrangement-Fenster) als Loop herausgearbeitet (Abb. 1). Es besteht nun die Möglichkeit, die Tonleitern aufwärts und abwärts zum Playback zu spielen, mit dem Schüler oder der Schülerin die Melodie des Songs mitzuspielen oder diese in Terzen oder Sexten zu übertragen. Die Melodie kann auch improvisierend umspielt werden oder der Schüler oder die Schülerin kann diese (im Sinne einer Variation) weiterentwickeln. Nicht zuletzt kann das Verändern des Tempos dabei hilfreich sein.

Beispiel 2: Harmonieinstrument
Nutzen Sie das Play-along im Unterricht von Harmonieinstrumenten als Akkordübung. Überprüfen Sie mit dem Schüler oder der Schülerin, welche Akkorde dem gewählten Ausschnitt des Songs zugrunde liegen. Nutzen oder entwickeln Sie dabei die Vermittlung eines funktionsharmonischen Verständnisses. Analysieren Sie mit dem Schüler oder der Schülerin die harmonische Grundstruktur des Loops, suchen Sie am Instrument nach verschiedenen Umkehrungen in unterschiedlichen Lagen der Akkorde und wenden Sie diese in der Begleitung zum Play-along an.
Hieraus werden sich zwangsläufig Fragen ergeben: Welche Voicings (Akkordumkehrungen) klingen zum Loop besonders gut und warum? Welche Akkordbegleitungen unterstützen den Song? Welche werden als eher unpassend oder sogar störend empfunden?
Die Transpose-Funktion (Abb. 2 unten, Clip­ansicht) kann dabei genutzt werden, um den Song – und damit die Akkord­umkehrungen – auch in anderen Tonarten spontan zu überprüfen. Sie müssen dafür einfach nur das Transpose-Rädchen nach links (tiefer) oder rechts (höher) drehen. Die Anzeige „ct“ = Cent entspricht hier jeweils einem halben Ton. Ist das Rädchen also um -2ct nach links gedreht, haben Sie den Loop um einen ganzen Ton nach unten transponiert.

Weiterarbeit

Um dem Schüler oder der Schülerin das Loop-Playback mit nach Hause geben zu können, müssen Sie die Clips wieder zurück in das Arrangement überspielen.
1. Wechseln Sie in die Arrangement-Ebene.
2. Drücken Sie „Steuerung A“ und dann die Entfernen-Taste. So löschen Sie die Songvorlage. Aber keine Angst: Ihre erstellten Clips aus der Session-Ebene bleiben trotzdem erhalten.
3. Zurück zur Session-Ebene, Aufnahmebutton in der oberen Leiste drücken und die gewünschten Clips nach Wunsch abspielen. Die Clips werden auf diese Art in das Arrangement überspielt.
4. Wenn Sie Ihre Loops (Clips) in der gewünschten Länge abgespielt haben, wechseln Sie zurück ins Arrangement-Fenster. Jetzt sehen Sie Ihr komplettes Play-along, das Sie nun wiederum über die Play-Taste (oder durch drücken der Leertaste) anhören können. Drücken Sie dazu bitte unbedingt vorher die orangefarbene Taste mit dem Dreieck oben rechts.
5. Drücken Sie „Steuerung A“, um die gesamte Aufnahme zu markieren. Nun wählen Sie aus „Datei“ die Funktion „Audio/ Video exportieren“. Klicken Sie „Exportieren“, benennen und speichern Sie Ihre Datei. Fertig.
Die Datei, also Ihr fertiges Play-along, kann nun auf einen Datenträger übertragen werden. Besprechen Sie im eigenen Interesse, dass das Play-along nur für Ihren Unterricht gedacht ist. Erkundigen Sie sich gemeinsam über die Nutzungsrechte des verwendeten Tonmaterials und sensibilisieren Sie Ihre Schülerinnen und Schüler auch dahingehend. Falls diese sich für die Arbeit mit Ableton Live begeistern lassen, können sie sich natürlich auch selbst eine Version besorgen und eigene Play-alongs mit zum Unterricht bringen.
Eine weitere Anwendung mit Ableton Live für den Instrumentalunterricht zeige ich in der nächsten Ausgabe.

Um die Schritte dieses Workshops noch einmal nachvollziehen zu können, habe ich ein Video-Tutorial mit einem anderen Songbeispiel erstellt.