Heumann, Hans-Günter

Little Amadeus

Klavierschule Band 1/Leopolds Arbeitsbuch Band 1/Vorspielstücke Band 1

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bosworth, Berlin 2009
erschienen in: üben & musizieren 5/2009 , Seite 58

Musikalisches Wunderkind, fröhlicher Wirbelwind, Identifikationsfigur: „Little Amadeus“ ist der Protagonist der gleichnamigen, weltweit sehr erfolgreichen TV-Zeichentrickserie, die Kindern im Grundschulalter auf unterhaltsame Weise klassische Musik näherbringen soll. Zwei Neuveröffentlichungen knüpfen an die Little Amadeus-Erfolgsstory an. Ein Little Amadeus-Liederbuch, konzipiert als „Lese-, Sing- und Hörbuch für die ganze Familie“, und eine zweibändige Klavierschule für Kinder ab sechs Jahren, deren Appetit auf eigenes Musizieren geweckt wurde.
Die Klavierschule von Hans-Günther Heumann, die als Zusatzmaterial je ein Heft Vorspielstücke und „Leopolds Arbeitsbuch“ umfasst, zielt auf die Vermittlung eines „soliden musikalischen Wissens und Könnens“ ab. Die bunten Zeichtrickfiguren, die viele Kinder aus der TV-Serie kennen, begleiten durch alle Hefte. Es geht in kleinen Schritten voran, das Notenbild ist groß und übersichtlich. Vielfältige (auch historische) Abbildungen, Musiktheorie-Merkkästen, Spielecken, kleine Notenschreibaufgaben und Erfindungsübungen, Quatsch-Texte, witzige Anekdoten, Tipps sowie musikgeschichtliche Informationen sollen ein spielerisches und kindgerechtes Lernen ermöglichen.
Kulturgeschichtliches in eine Klavierschule für Kinder zu integrieren, ist prinzipiell begrüßenswert. Ob Kinder durch diese Schule musikalisch gebildet und nachhaltig zum Klavierspielen motiviert werden, ist jedoch fraglich. Denn die Hefte enthalten viel Wissenswertes, doch nur wenig musikalisch gehaltvolle Stücke. Die Musikauswahl ist stark eingeschränkt: überwiegend Kinder- und Volkslieder in einfachen Dur-Tonarten, anspruchslose Übungsstücke, Fast-Food-Mozart und Pop-Stücke. Die spärlichen Improvisationsanleitungen sind wenig inspirierend (z. B. Klavierschule S. 20, Tonmalerei).
Das Klavierspiel geht nach Heumann erst richtig los, wenn man nach Noten spielt (S. 27); das Spielen nach Gehör kommt zu kurz. Dass empfohlen wird, den Takt immer laut und gleichmäßig mitzuzählen, mag manchmal helfen, reicht aber zum Rhythmuslernen nicht aus – der Aspekt der Bewegung fehlt. Die Erklärungen und Texte enthalten manche Ungereimtheiten und Ungenauigkeiten (z. B. die Erklärung von „Takt“ auf S. 32 f.; auch bedeutet Allegro nicht unbedingt schnell). Unbefriedigend ist vor allem die extreme Vereinfachung von Musikstücken. Notenwerte werden verlängert bzw. verdoppelt, nur weil noch keine schnelleren Notenwerte eingeführt wurden, z. B. bei „Eine kleine Nachtmusik“, „Morgenstimmung“ (im Bass-Schlüssel notiert!) oder „Der Vogelfänger“. Wie sollen Kinder so Musikgespür und Stilgefühl entwickeln?
Den roten Faden des ebenfalls aufwändig illustrierten Liederbuchs von Matthias Rheinländer bilden die Reisen der Familie Mozart durch Europa. Eine Auswahl von 40 überwiegend traditionellen deutschen Volks- und Kinderliedern (von „Es klappert die Mühle“ und „Hoch auf dem gelben Wagen“ bis „Leise rieselt der Schnee“) ist eingebettet in harmlose, hübsch erzählte Reiseabenteuer („Radbruch“ oder „Orgel ohne Töne“) sowie kurze musikgeschichtliche Informationstexte zu einzelnen Stationen. Hinzu kommen einige englischsprachige Lieder (u. a. „If you’re happy“, „Old Mac Donald“). Die Melodien bewegen sich zwischen a bzw. c’ und d” und sind damit für die Kinderstimme zum Teil etwas zu tief gesetzt. Die gut lesbaren Notentexte wurden mit einfachen Akkordsymbolen versehen; ab der zweiten Strophe sind die Liedtexte unnötig klein gedruckt.
Die CD enthält neben dem bekannten Little Amadeus-Titelsong eine Auswahl an Geschichten und Liedern. Die Texte sind professionell vorgelesen, die popigen Einspielungen der Lieder vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Sinnentstellende Phrasierung und Atmung, viel Nebenluft, mangelhafter Registerausgleich – die Sängerin sollten Kinder sich nicht zum Vorbild nehmen. Die basslastigen Arrangements sind wenig abwechslungsreich und gleichmachend. Abschreckend nicht nur die verstümmelte Version des „Veilchens“. Meine eigenen Kinder (6 und 11 Jahre) fanden die kleinen Geschichten „nett“ bzw. „o. k.“, die Einspielungen der Lieder aber „schrecklich“.
Andrea Welte