Kilp, Brigitte

Lust of Gitarre

12 Gitarren-Etüden von romantisch bis rockig

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Ricordi, Berlin 2021
erschienen in: üben & musizieren 4/2022 , Seite 60

Verschiedene Techniken des Gitarrenspiels zu trainieren, ist eine gute Idee. Aber das, was Brigitte Kilp im Vorwort ihrer Notenausgabe als Zielsetzung vorgibt, deckt sich nicht mit dem, was sie davon umsetzt.
Jedem Stück ist eine kleine Erklärung beigefügt. Die ersten Nummern widmen sich noch verschiedenen Techniken: In Nr. 1 (Una danza especial) ist es die linke Hand, die in der III. Lage zu spielen hat, in Nr. 2 (Paladin) die rechte, die ständig zwischen Akkordzerlegungen und zweistimmigem Anschlag wechselt. In Nr. 3 (Amsterdam) steht der punktierte Rhythmus im Vordergrund. Aber keine dieser Techniken wird sinnvoll fortgeführt. Punktierungen erschienen auch schon in Nr. 1. Später folgt ein Stück in der VII. Lage mit mehrfachem Lagenwechsel VII-V-III. Hier fehlt ein Übungsstück für die V. Lage. Und ist es wirklich sinnvoll, dann, wenn man das Lagenspiel trainieren will, alles voller Fingersätze zu schreiben, sodass die SchülerInnen nach Zahlen spielen, anstatt die Logik des Griffbretts zu erkunden?
In Nr. 4 (Bei Kerzenschein) soll der h-Moll-Akkord in der II. Lage geübt werden. Der erscheint aber nur zweimal im Laufe des Stücks. Zu Nr. 5 (Rock the Stage) heißt es gar nur: Viel Spaß mit dieser durchaus rockigen Nummer! Das Eingangsmotiv kann man noch so eben als rockig bezeichnen, aber dann folgen gleichmäßige Akkordzerlegungen. Eine gewisse Systematik, um Techniken zu separieren und einzeln zu üben, fehlt dem Heft ebenso wie ein roter Faden. Die meisten Stücke präsentieren Dreiklangsbrechungen und sind wegen der fehlenden kompositorischen Substanz viel zu lang geraten.
Die zwölf Stücke gehören alle in die Unterstufe mit Akkordzerlegungen, gelegentlichen Lagenwechseln und Barrés sowie gegriffenen Bässen auch in hohen Lagen. Fast alle Stücke sind auf zwei Druckseiten aufgeteilt, das Notenbild ist übersichtlich. Das eine oder andere Stück, in dem wirklich einzelne Techniken geübt werden, lässt sich im Unterricht einsetzen. Das Heft als Ganzes ist eher eine Sammlung netter Spielstücke und steht in harter Konkurrenz zu zahlreichen vergleichbaren Unterrichtsmaterialien.
Für den Gitarrenunterricht in der Unterstufe fehlt weiterhin ein Übungsheft, in dem stilistisch abwechlungsreich und kompositorisch kreativ verschiedene Techniken separiert und geübt werden und die Stücke so auf­einander aufbauen, dass der Schüler oder die Schülerin nicht nur bei der Hand genommen wird, sondern auch durch den Fortschritt, den er oder sie macht, erkennt, dass das Üben von Etüden nicht nur sinnvoll ist, sondern auch Spaß machen kann.
Jörg Jewanski