Fritzen, Anne

„Man muss auch mal zu Hause üben“

Hausaufgaben aus der Perspektive von Schülerinnen und Schülern

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 6/2025 , Seite 12

Aus der Expertiseforschung ist bekannt, wie das (häusliche) Üben idealerweise aussieht, um optimale Lernergebnisse zu erzielen. Doch häufig bleibt die Praxis hinter dem Ideal deutlich zurück.1

Um im Unterrichtsalltag sinnvoll zu agieren, erscheint es mir wichtig, die Perspektive von SchülerInnen auf das Thema Hausaufgaben einzubeziehen. Vielleicht lassen sich so Türen öffnen, um die Freude am Musizieren zu erhalten und die intrinsische Übemotivation zu stärken. Um die Sichtweisen von Lernenden einzufangen, habe ich mit 18 Kindern im Alter zwischen sechs und zehn Jahren über Hausaufgaben im Instrumentalunterricht gesprochen. Blitzlichtartig stelle ich erste Ergebnisse vor.

Martha, 9 Jahre, Gitarre: „Auf Gitarren-Hausaufgaben habe ich manchmal Lust, manchmal auch nicht so, weil ich manchmal mit Freunden spielen will. Hausaufgaben brauche ich aber eigentlich schon, denn ich bin gut im Unterricht, aber auch nicht so gut, dass ich sie nicht bräuchte. Am liebsten mag ich Hausaufgaben, wenn ich sie selbst bestimmen darf. Dann würde ich mir immer den ,Blumenwalzer‘ wünschen. Heute habe ich mir aber einen Akkord gewünscht.“

„Damit ich es noch besser kann“

Mit einer Ausnahme waren sich alle Kinder einig, dass Hausaufgaben wichtig sind, um „besser zu werden“, um Dinge zu wiederholen und weil die Zeit in der Unterrichtsstunde nicht ausreicht, um alles „ganz, ganz perfekt“ zu machen. Aus dem letzten Grund waren einige jedoch auch der Ansicht, dass man, wäre die Unterrichtszeit länger, eigentlich gar keine Hausaufgaben bräuchte. Daher scheint es besonders relevant, SchülerInnen Wissen darüber zu vermitteln, warum das Üben zu Hause wichtig ist bzw. warum sich das Erlernen eines Instruments nicht nur in der Unterrichtszeit vollziehen kann.

Enni, 9 Jahre, Klavier: „Hausaufgaben machen ist eigentlich ganz entspannt. Also dann setz ich mich auf meinen Sessel und dann kommt mein Hund Ruby auf meinen Schoß. Ja, und dann spiele ich Ruby vor. Mir würde auch beruhigende Musik helfen, die ich vor dem Üben höre, oder eine Rückblendung – also, dass ich da noch mal drüber nachdenke, was wir alles für Lieder gespielt haben, wie das war.“

„Immer nur eine leichte Hausaufgabe“

Die Überzeugung, dass Hausaufgaben grundsätzlich nützlich sind, geht jedoch nicht automatisch damit einher, dass SchülerInnen ihre Aufgaben (gerne) erledigen. Um zu erfahren, was es dafür bräuchte, habe ich danach gefragt, was aus ihrer Sicht die „beste Art“ wäre, Hausaufgaben zu bekommen bzw. wie sie sich selbst Aufgaben geben würden. Hier zeigte sich, dass die meisten Kinder einfache und kurze Aufgaben bevorzugen sowie Stücke, die sie gerne mögen und bereits gut beherrschen. Neben Höraufgaben und Spiel­materialien wie Puzzles wünschten sich einige Kinder auch die Möglichkeit, zu Hause mehr Musik selbst erfinden zu dürfen.

Beat, 9 Jahre, Schlagzeug: „Ich finde an Hausaufgaben blöd, dass man nachmittags noch mal nach der Pause richtig doll den Kopf anschalten muss. Aber Schlagzeug-Hausaufgaben sind super, weil das einfach nicht schriftlich ist. Am liebsten möchte ich als Hausaufgabe ein kurzes Stück bekommen – oder zwei oder auch drei. Vier wäre die Maximalgrenze.“

(Wenig) hilfreiches ­Hausaufgabenheft?

Auf die Frage, was beim Erledigen von Aufgaben zu Hause noch nützen könnte, war meines Erachtens der Wunsch nach Unterstützung von zuhörenden Freunden oder Haustieren am stärksten, direkt gefolgt von Hilfe durch Eltern oder Verwandte. Als hilfreich wurden auch farbig gekennzeichnete Aufgaben und eine ruhige Umgebung angegeben. Mehrere Kinder schlugen eine Einstimmung auf das Üben mit dem Hören entspannender Musik vor. Keines der Kinder benannte jedoch von sich aus ein Hausaufgabenheft als wichtig, obwohl Tür-und-Angel-Gespräche mit ihren Lehrenden zeigten, dass alle eines nutzen. Daraus lässt sich ableiten, dass Hausaufgabenhefte entweder als so selbstverständlich gelten, dass eine Erwähnung überflüssig scheint, oder sie (in der geführten Form) als wenig hilfreich empfunden werden.

Nelly, 9 Jahre, Cello: „Hausaufgaben braucht man, damit man an seinem Instrument weiterkommt und lernt, damit man dann im Unterricht zusammen Spaß hat und nicht die ganze Zeit üben muss. Mein Lehrer sagt mir zwar, was ich verbessern soll, aber eigentlich darf ich meine Hausaufgaben selbst bestimmen. Also ich übe auch freiwillig, einfach so, weil es mir Spaß macht oder auch wenn mir langweilig ist.“

Hausaufgaben – ein (un-)günstiger Begriff?

Als ich die Kinder bat, Assoziationen zum Stichwort „Hausaufgaben“ zu bilden, bezogen sich die meisten auf den allgemeinbildenden Schulkontext – obwohl das Gespräch in einer Musikschule stattfand und der Fokus des Interviews zuvor klar erläutert worden war.2 Dies verdeutlicht, wie stark der Begriff „Hausaufgaben“ mit dem Schulbesuch verknüpft ist. Auch im Verlauf der Gespräche kehrten die Gedanken der Kinder häufig zu schulischen Hausaufgaben zurück, oft negativ besetzt durch ihre Schwierigkeit und ihren zu hohen Umfang. Daher stellt sich mir die Frage, ob allein durch den Begriff ungünstige schulische Assoziationen, Haltungen, Überzeugungen und Emotionen in den Instrumental- und Gesangskontext „importiert“ werden, sodass wir deshalb über alternative Begrifflichkeiten im Rahmen des Instrumentalunterrichts nachdenken sollten.

1 Wissner, Georg: Üben am Instrument. Übertragbarkeit der Expertiseforschung auf normalbegabte, popular­musikalisch interessierte Schüler, Baden-Baden 2018, S. 42-49, 90-99, 247; Mahlert, Ulrich: „Was ist Üben? Zur Klärung einer komplexen künstlerischen Praxis“, in: ders. (Hg.): Handbuch Üben. Grundlagen – Konzepte – Methoden, Wiesbaden 2007, S. 9-46, hier: S. 40 f.
2 Die Einzelgespräche mit den Kindern fanden in Form von leitfadengestützten Interviews in einer ruhigen Ecke des Aufenthaltsraums der Musikschule KISUM in Weimar statt und dauerten jeweils etwa fünf Minuten. Vo­raussetzung dafür waren das Einverständnis des Kindes sowie eines erziehungsberechtigten Elternteils.

Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 6/2025.

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