Erben, Eva

„Mein Hobby ist das Klavierspielen“

Betrachtungen der Kestenberg-Enkelin Rachel Epstein

Rubrik: Bericht
erschienen in: üben & musizieren 5/2016 , Seite 36

Diesen Schulaufsatz fand ich im Nachlass von Frieda Loebenstein1 als Beigabe zu einem Brief von Grete Kestenberg,2 der datiert ist auf den 6. Februar 1963.3 Darin schreibt sie über die Familie ihrer Tochter Ruth Kestenberg-Gladstein: „Von Ruth mit Mann und Tochter ist auch nur Gutes zu berichten. […] Die Tochter Rachel macht jetzt ihre Matura […]. Sie ist ein feiner, kluger Mensch und hat ihrem Großvater ein kleines Denkmal in einem Schulaufsatz gesetzt, das ich Ihnen als Drucksache zusende. Ich denke, es wird Sie interessieren.“
Die Familie Kestenberg war Frieda Loebenstein bis zum Lebensende freundschaftlich verbunden. Diese Freundschaft reichte zurück bis ins Berlin der 1920er Jahre, als Frieda Loebenstein durch ihre Tätigkeit als Dozentin am Seminar für Musikerziehung der Hochschule für Musik und als Mitglied des Prüfungsausschusses für die staatliche Privatmusiklehrerprüfung das Reformwerk Leo Kestenbergs tatkräftig unterstützte. Die Kestenbergs schätzten die klavierpädagogischen Fähigkeiten Frieda Loebensteins derart, dass sie ihr die pianistische Ausbildung ihrer beiden Töchter Ruth und Rahel anvertrauten. Aufgrund dieser über die Jahre andauernden gegenseitigen Wertschätzung verwundert es nicht, dass Grete Kestenberg den Kontakt mit Frieda Loebenstein auch nach dem Tod ihres Mannes pflegte und in Briefen ausführlich über Kinder und Enkelkinder berichtete.

1 Frieda Loebenstein (1888-1968) lehrte ab 1921 Gehörbildung am Sternschen Konservatorium. Von 1926 bis 1933 war sie als Dozentin für Klaviermethodik am Seminar für Musikerziehung der Hochschule für Musik und als Lehrerin für Gehörbildung und Musiktheorie an der Staatlichen Akademie für Kirchen- und Schulmusik ­tätig. Im Jahr 1933 wurde sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft entlassen. Sie konvertierte 1934 zum katho­lischen Glauben, emigrierte 1939 nach Brasilien und lebte als Benediktinerin in der Abadia de Santa Maria in São Paulo. Vgl. Wolfgang Rathert/Dietmar Schenk (Hg.): Pianisten in Berlin. Klavierspiel und Klavierausbildung seit dem 19. Jahrhundert, Hdk-Archiv, Band 3, Hochschule der Künste Berlin 1999, S. 82 f.
2 Grete Kestenberg (1881-1969) war die Ehefrau von
Leo Kestenberg (1882-1962). Zu Leben und Werk Leo ­Kestenbergs siehe Susanne Fontaine/Ulrich Mahlert/ Dietmar Schenk/Theda Weber-Lucks (Hg.): Leo Kestenberg. ­Musikpädagoge und Musikpolitiker in Berlin, Prag und Tel Aviv, Freiburg 2008.
3 Archiv der Abadia de Santa Maria, São Paulo, Kasten E.3.2-17, Umschlag 04; Schulaufsatz Mein Hobby, ­Archiv der Abadia de Santa Maria, São Paulo, Kasten E.3.2-18, Umschlag 03.

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