Bryner-Kronjäger, Brigitte

Mein Sprung ins Spiel

Über die Wechselwirkung von Vorspielen/Vorsingen und Üben

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Burkhard Muth, Fernwald 2017
erschienen in: üben & musizieren 6/2019 , Seite 53

Gedanklicher Rahmen des Buchs Mein Sprung ins Spiel ist das ­sogenannte Musik-Haus. Die Schweizer Flötistin und Instrumentalpädagogin Brigitte Bryner-Kronjäger entwickelt dieses Modell, um einige grundlegende Gedanken zu verdeutlichen: Zunächst besitzt das Musik-Haus verschiedene Zimmer – separate Spiel-, Übe- und Rhythmuszimmer, den Gruppenraum sowie den Kuppelsaal für Auftritte. Diese Einteilung soll eine „strukturbildende Wirkung entfalten und dadurch helfen, Tätigkeiten zu verorten“. Konkret wird den verschiedenen Zimmern eine Vielzahl einzelner Themen bzw. Ak­tivitäten zugewiesen wie etwa Blatt-, Auswendigspiel und Improvisation (= Spielzimmer), das Üben von Interpretation, Auswendiglernen und Hören (= Übe­zimmer), Rhythmusübung, Atmung und Haltung (= Rhythmuszimmer), Kommunikation, Improvisation und Rhythmus in der Gruppe (= Gruppenraum) sowie Lampenfieberübungen, Auftrittsvorbereitung und die Bewertung von Erfolg (= Kuppelsaal).
Die explizite, klare Trennung und Zuordnung sei essenziell, um Musizierzeit sinnvoll und zielführend zu nutzen, und könne damit Misserfolgserlebnisse und Demotivation häufig vermeiden, so die Autorin. Die Metapher der liegenden 8 im Eingangsbereich des Musik-Hauses verweist wiederum auf die Unendlichkeit des Lernprozesses, innerhalb dessen Wahrnehmung, Reflexion, Entscheiden, Handeln und Lernen in allen Zimmern des Hauses kontinuierlich miteinander verbunden seien.
Bryner-Kronjäger strebt in ihrer Darstellung eine Verknüpfung der instrumentalen/vokalen Musizierpraxis mit „den dazugehörigen theoretischen Grundlagen“ bzw. „Theorien“ an. In den entsprechenden Textpassagen werden jedoch Theorien zum Teil nur inhaltlich umschrieben, aber nicht benannt, die zitierte Literatur ist wenig aktuell und kaum fachspezifisch, viele Aussagen bleiben ohne Belege und es erfolgt keine Anbindung an den gegenwärtigen Fachdiskurs der Instrumental- und Gesangspädagogik. So entsteht ein schwer fassbares Zwischengenre, da ein theoretischer Anspruch erhoben, aber nicht konsequent eingelöst wird – möglicherweise aus dem Anliegen der „Verständlichkeit und unmittelbaren Plausibilität“ heraus.
Dennoch liefert das Buch eine breit angelegte, strukturierte Sammlung von Gedanken und Erfahrungswerten zu vielen Teilaspekten des Übens, (gemeinsamen) Musizierens und Auftretens, verbunden mit dem plastischen Modell des Musik-Hauses, das sicher auch als Tool für SchülerInnen fruchtbar sein und ihnen eine ebenso strukturiert wie ganzheitlich angelegte Perspektive eröffnen kann.
Im abschließenden Kapitel entwickelt Heinrich Baumgartner das verwandte Modell einer „City of Music“, bestehend aus Häusern für verschiedene Musikstile, die zu vier großen Stadtteilen zusammengefasst werden: Altstadt/europäische Kunstmusik, Jazzquartier, Rockquartier, Ethno-/Technoquartier.
Carmen Heß