Mathot, Leonie / Jolande Rijk / Ton Koopman
Meine kleine Kopfmusik
Mit Illustrationen von Jannemeis Snels, mit CD
Dass man einen Ohrwurm im Kopf hat, der einen den ganzen Tag verfolgt und nicht mehr los lässt: Dieses Gefühl kennen Kinder bereits. So ergeht es auch Bastian, der morgens beim Aufwachen eine kurze Melodie hört und dann den ganzen Tag auf der Suche ist nach der Quelle seiner kleinen Kopfmusik. Und was gibt es nicht alles für Musik(en) zu entdecken: Bastian hört Tanzmusik, Orgelmusik, Durcheinander-Renn-Musik, Krabbelmusik, Erwachsenenmusik, Hüpfmusik und viele andere – und muss doch bis zum Abend Geduld haben, bis er endlich seine kleine Kopfmusik wiederfindet.
Die Erzählung von Bastians Abenteuern im Laufe eines Tages schöpft ganz aus der Erlebniswelt eines (Schul-)Kindes und ist doch so geistreich, dass auch Erwachsene sich des Öfteren eines Schmunzelns nicht erwehren können. Wer jemals Jungs beim Frisurenstyling vor dem Spiegel beobachtet hat, wird bei der Frage von Bastians Schulkamerad: „Sind deine Haare schon ordentlich in Unordnung?“ herzlich mitlachen können.
Zu jedem Kapitel kann man die Musik, die für Bastian real (Orgelmusik) oder imaginär (Durcheinander-Renn-Musik) erklingt, auf der beiliegenden CD anhören – eingespielt vom Amsterdam Baroque Orchestra unter der Leitung von Ton Koopman. Die jeweilige Zuordnung eines Musikstücks zu einem Ereignis oder einer Stimmung aus der Erzählhandlung ist dabei nicht immer geglückt. Dass Bastian beim Betrachten der vorbeiziehenden Wolken als Wolkenmusik die berühmte Air aus Bachs Ouvertüre D-Dur hört, kann als gelungene Verbindung von Musik und Atmosphäre gelten. Weshalb jedoch der erste Satz aus Mozarts großer g-Moll-Symphonie eine Gestresste-Mutter-Musik sein soll, erschließt sich weder Kindern noch Erwachsenen. Und dass die davonflatternden Hühner auf dem Markt (Gackermusik) mit Haydns Symphonie „Das Huhn“ charakterisiert werden, liest sich nur auf dem Papier einleuchtend, sind doch die stark stilisierten Vorschlagsfloskeln, die der Symphonie ihren Beinamen gaben, für Kinder nur mit viel Fantasie als Gegacker wahrnehmbar.
Nach jedem Kapitel bietet das Buch eine leere Seite, auf der die Kinder ein Bild zum soeben Gehörten malen können. Dieser synästhetische Ansatz mit seiner Verbindung von Erzählhandlung, Atmosphäre, Musik und Bild ist sympathisch, birgt jedoch die Gefahr, jüngere Kinder zu überfordern. Zu jedem Kapitel gibt es einen kurzen Begleittext: entweder mit einer sehr stark verkürzten biografischen Vorstellung des Komponisten des jeweils gespielten Musikstücks oder mit allgemeineren Fragestellungen wie „Was ist Lampenfieber?“ Tiefer gehende Einsichten sind angesichts der Kürze hier nicht zu erwarten. Auch hätte man sich durchgehend vierfarbige Illustrationen gewünscht.
Was bleibt? Eine sehr nette Geschichte, wunderbare Begleitmusik, die aufgrund der Länge der Stücke bereits einiges an Konzentration und Stillhaltevermögen erfordert, und das Gefühl, dass die heterogenen Elemente dieses Buchs sich nicht recht zu einem Ganzen fügen wollen.
Rüdiger Behschnitt