Fritzen, Anne

„Meine Meerschweinchen sind immer so laut!“

Instrumentales Lernen im Familienumfeld aus Kinderperspektive

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 3/2018 , Seite 12

Was wie eine typische Schülerausrede klingt, um fehlendes, unzureichendes oder ineffektives Üben zu erklären, muss keine solche sein, wie der folgende Beitrag aufzuzeigen versucht. Dafür wurden 25 Kinder­bilder und -interviews zum Thema „Ich zu Hause beim Üben“ ausgewertet.

Während wir als Instrumental- und GesangspädagogInnen oft versuchen, die mit und in unserem Unterricht geschaffene Lernumgebung – bestehend aus dem Arrangement von Unterrichtsmethoden und -techniken, Lernmaterialien und Medien vor dem Hintergrund unterschiedlicher pädagogischer Ausrichtungen1 – in den Blick zu nehmen und zu optimieren, bleiben die Betrachtungen, wo, wie und unter welchen Bedingungen SchülerInnen im familiären Umfeld ihre persönliche Lernumgebung generieren, hinter den Bemühungen um eine solide Technik, inspirierenden musikalischen Ausdruck und den richtigen Notentext bisweilen zurück. Statt den Fokus vorrangig darauf zu lenken, wie viel bzw. was SchülerInnen geübt haben, damit wir im Unterricht optimal daran anknüpfen können („Wie kann optimal gelehrt werden?“), soll hier die Perspektive gewechselt werden hin zu den Fragen: „Wie kann optimal gelernt werden?“ und „Welche Widerstände müssen dafür überwunden werden?“ Explorativ soll diesen Fragen aus Kindersicht nachgespürt werden. Ausgehend von der persönlichen Lernumgebung möchte ich Indikatoren aus Bildern und Interviews für individuell zum Lernen eingerichtete Umgebungen vor ihrem materiellen und formalen Hintergrund betrachten und kindliche Bedürfnisse reflektieren.2

Die kindliche ­Perspektive

Die 25 hier betrachteten Bilder stammen von sechs- bis zwölfjährigen SchülerInnen einer Leipziger Musikschule, die freiwillig nach ihrem wöchentlichen Instrumentalunterricht an der Malaktion teilnahmen;3 der Arbeitsauftrag lautete: „Male ein Bild von dir zu Hause beim Üben.“ Die Bilder wurden anschließend auf Darstellung des Ich sowie weiterer Personen, des Instruments und Kontakts mit demselben, auf Abbildung der Umgebung, Farbe, Perspektive, Notensymbole, Bildgeschichte, Sprechblasen, weiteren Text und Detailgenauigkeit untersucht.
In der Auswertung ging es nicht um die Mal- und Darstel­lungsfähigkeiten der Kinder. Vielmehr sollten solche Aspekte erfasst werden, die Kinder in ihrer häuslichen Musizier- und Übesituation besonders wahrnehmen und die so auch im Umfeld des Übens Relevanz gewinnen. Gerade hierfür eignen sich Kinderbilder besonders, da sie einen unmittelbaren Zugang zur kindlichen Perspektive auf die Umwelt schaffen.4
Verbale inhaltliche Vorgaben – wie das Thema „Ich zu Hause beim Üben“ – können die kindliche Kreativität und Vorstellungskraft beim Malen lenken und anregen, schränken sie jedoch nicht ein. Die entstehenden Bilder sind, trotz des Bemühens der Kinder um eine naturgetreue Tendenz, nicht als unmittel­bares Abbild der Realität zu betrachten, sondern zeigen vorrangig Interessens- und Beobachtungsschwerpunkte der SchülerInnen auf. Gerade bei jüngeren Kindern ist davon auszugehen, dass Größe und Detailgenauigkeit der Darstellung der Bedeutung und Gewichtigkeit der Personen oder Gegenstände im täglichen Umgang entsprechen.5

1 vgl. Gabi Reinmann/Heinz Mandl: „Unterrichten und Lernumgebungen gestalten“, in: Andreas Krapp/Bernd Weidenmann (Hg.): Pädagogische Psychologie. Ein Lehrbuch, Weinheim 52006, S. 615 f.
2 Auch wenn die Aneignung der materiellen wie formalen Lernumgebung am kindlichen positiven oder negativen Empfinden des Übens und Musizierens erheblichen Anteil trägt, wie die Analysen der Bilder und Interviews ergaben, wird sie an dieser Stelle nicht näher betrachtet, da sie aus kindlicher Perspektive nicht reflektiert wurde und so keinen Beitrag zur Themenstellung dieses Textes leisten kann.
3 Das Instrumentenspektrum reichte von Klavier (8 Schü­lerInnen) und Schlagzeug (7), über Gitarre (2), Blockflöte (2) und Klarinette (2) bis zu Violine (1), Trompete (1), Waldhorn/Posaune (1) und Harfe (1). Im Durchschnitt ­erhielten die SchülerInnen bislang knapp zwei Jahre ­Instrumentalunterricht.
4 vgl. Günter Kleinen: „Kinderbilder als Untersuchungsmethode“, in: Maria Luise Schulten/Kai Stefan Lothwesen (Hg.): Methoden empirischer Forschung in der Musikpädagogik. Eine anwendungsbezogene Einführung, Münster 2017, S. 55-58, 62.
5 vgl. Günter Kleinen: „Kinderbilder als Erhebungsverfahren zur Musiksozialisation im Grundschulalter“, in: Hermann-Joseph Kaiser (Hg.): Unterrichtsforschung (= Musikpädagogische Forschung Bd. 7), Laaber 1986, S. 58 ff.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2018.