Epstein, Moshe Aron
Mind Your Fingers
Technische Studien für Oboe, adaptiert von Rainer Herweg
Die technischen Übungen für die Querflöte Mind Your Fingers von Moshe Aron Epstein sind jetzt in einer Adaption für OboistInnen von Rainer Herweg erschienen. In erster Linie dient das Werk der Verbesserung der Sicherheit und Klarheit in der dreigestrichenen Oktave. Diese wird im Anfängerunterricht auf Grund der durchaus nicht einfachen Ansprache ja meist erst einmal ausgeklammert. Wenn die Töne dann sukzessive eingeführt werden, dauert es bei einem durchschnittlichen Schüler meist Jahre, eine ebenmäßige und runde Technik in diesem Bereich zu entwickeln.
Epsteins Grundgedanke zum Erlernen einer gleichermaßen sauberen wie entspannten und damit klangschönen Virtuosität besteht darin, bewusste Entspannungsmomente einzubauen. Konkret: An den schweren Stellen – und nur dort – sollen das Tempo reduziert und/oder kleine Fermaten eingebaut werden, bei denen die Körperentspannung im Allgemeinen und der Kehlkopf im Besonderen gezielt gelockert werden kann. Was jedem mehr oder weniger metronomfixierten oder zumindest -geprägten Musiker zunächst widersinnig erscheinen mag, trägt in sich jedoch die überzeugende Logik, dass die technische Beherrschung mittels metronomischen Drills bei Bläsern vollkommen sinnlos ist, da bei Panik oder auch nur Angst der Kehlkopf zwangsläufig reagiert. Und was nützt die schnellste Technik, wenn sie nicht gut klingt? Diese Maßnahmen dienen dazu, die in Panik oft zu „schwarzen Streifen“ gerinnenden Passagen wieder gedanklich strukturieren und ebenso klar fassen wie spielen zu können.
In drei große Abteilungen – „Chromatitis“, „Ganztonsilitis“ und „Skandalen“ – ist das 172 Seiten starke Heft unterteilt. Jede Abteilung hat mehrere Kapitel, die meist richtunggebend unterteilt sind („Aufwärts“, „Abwärts“, „Auf- und Abwärts“). Die Nummern der Übungen richten sich nach dem Spitzenton; 1 bis c”’, 2 bis des”’ usw. bis bin zu 10 bis a”’. Innerhalb dessen stehen die kurzen Einzelübungen (a, b, c usw.). Hier besticht zunächst die rhythmische Komponente. Getreu dem Grundsatz Tempo herauszunehmen, wenn es schwierig wird, sind die Notenwerte im Spitzenbereich zunächst langsamer und nähern sich über diverse Zwischenstufen den „normal“ durchlaufenden Sechzehnteln bzw. Sechzehnteltriolen. Konsequent werden im Hinblick auf die Musik des 20. Jahrhunderts und die allgemeine Flexibilität auch ungerade Takte einbezogen wie 5/16 und 7/16. Zwischendurch gibt es auch längere Übungen (bis zu drei Seiten), in denen das gesamte vorausgegangen Geübte zusammengefasst wird.
Neben der sehr instruktiven Einleitung und den immer wieder eingestreuten Übehinweisen ist eine Rhythmustabelle als Einzelblatt beigelegt, die zu dem, was man so kennt, noch zahlreiche „krumme“ Rhythmen aufweist.
Mind Your Fingers ist ideal für sehr fortgeschrittene SchülerInnen und Studierende, die beim Üben gerne systematische, bestechend klar und logisch aufgebaute Übungen vor Augen haben. Aber auch mancher Profi erhält für sein sicherlich breit gefächertes Repertoire technischer Übungen die ein oder andere Anregung.
Marie-Theres Justus-Roth