Bossen, Anja

Mitarbeiter(de)motivation

Mit einem skandalösen Prämienmodell versuchen einige private Musikschulen, ihre Lehrkräfte zu „motivieren“

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 6/2014 , musikschule )) DIREKT, Seite 10

Was ist eigentlich Mitarbeitermotivation und warum sollte ich das überhaupt machen? Eigentlich ist diese Frage relativ leicht zu beantworten: Wenn ich es schaffe, meine Mitarbeiter zu motivieren, dann kommen sie gerne zur Arbeit, sind leistungsbereit, engagiert und bringen sich möglichst eifrig in mein Unternehmen ein. Sie sind eben „motiviert“ – und das ist gut für mein Unternehmen. So einfach ist das.

Wesentlich schwieriger zu beantworten ist allerdings die Frage: Wie motiviere ich denn nun meine Mitarbeiter? Eine wirklich „besondere“ Antwort auf diese Frage hat die Redaktion der Zeitschrift musikschule intern in ihrer Ausgabe 2/2014 gefunden.
Die Redaktion riet in ihrer Antwort auf die Anfrage eines Musikschulleiters zur Motivation der Mitarbeiter zu einer Leistungsprämie. Er solle sie denjenigen seiner Honorarkräfte zahlen, die sich über die bezahlten Unterrichtsstunden hinaus engagierten, z. B. für Schülerkonzerte oder Konferenzen. Diese Prämie solle jedoch unregelmäßig und in immer unterschied­licher Höhe ausgezahlt werden, damit sich daraus nicht etwa irgendwelche Rechte ableiten ließen.
Man stelle sich ein solches Verfahren einmal bei einem Handwerker vor: Ich engagiere einen Malermeister, der mein Wohnzimmer neu tapezieren soll – gegen Bezahlung versteht sich. Und dann erkläre ich ihm, wenn er auch die Küche neu tapeziere, dann bekäme er vielleicht einen bescheidenen Bonus. Bei diesem Vergleich ist wohl für Jedermann offensichtlich, dass Mitarbeitermotivation so mit Sicherheit nicht funktioniert. Und hier zeigt sich auch das Perfide am Vorschlag der Redaktion von musikschule intern: Sie setzt bei Musikschullehrkräften ganz selbstverständ­lich voraus, dass diese außer dem Unterricht, für den sie bezahlt werden, unentgeltlich noch weitere zusätzliche Arbeiten erledigen. Wer dazu nicht bereit ist, ist eben nicht wirklich motiviert.
Hier zeigt sich eine Missachtung der Lehrkräfte und ihrer Arbeit, die das genaue Gegenteil von Mitarbeitermotivation darstellt. Um meine Mitarbeiter zu motivieren, muss ich ihnen zeigen, dass ich sie und ihre Arbeit wertschätze. Und das mindeste, was ein Mitarbeiter dann erwarten kann, ist, dass er für seine Arbeit fair bezahlt wird. Natürlich ist es wichtig und richtig, Mitarbeiter, die sich ganz besonders engagieren, zu belohnen – ob mit Geld oder „nur“ einem ernst gemeinten Dank ist dabei oft gar nicht so entscheidend. Aber eine Belohnung wird nur zusätzlich und nicht anstelle einer angemessenen Bezahlung zu einer Belohnung.
In Ausgabe 3/2014 von musikschule intern wird es dann noch schlimmer. Auf die sehr fundierte Kritik einer Leserin antwortet die Redaktion ausführlich, ohne dabei auch nur im Geringsten von ihren Vorschlägen abzurücken. Vielmehr begründet sie ausführlich, dass es zwar bedauerlich, aber unvermeidlich sei, dass Honorarkräfte regelmäßig unbezahlte Arbeiten wie Schülervorspiele erledigten.
Die Begründungen dafür sind ebenso vielfältig wie die Schuldigen, die von der Redaktion ausgemacht werden. Der Gesetzgeber ist schuld, weil er verbietet, Honorarkräften Dienstanweisungen zu geben, anderenfalls bestehe die Gefahr, dass sie in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis abrutschen (!) könnten. Natürlich sind auch die kommunalen Musikschulen schuld, da sie im Gegensatz zu den privaten Musikschulen öffentlich gefördert werden. Und auch die Eltern, die nicht bereit sind, mehr für den Unterricht zu bezahlen, sind schuld.
Den Gipfel bildet jedoch die larmoyante Behauptung, dass die Leiter privater Musikschulen in der überwiegenden Mehrzahl deutlich schlechter als ihre Lehrkräfte verdienen würden. Ohne den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung überprüfen zu wollen, kann man dazu nur sagen: Wenn jemand ein Geschäft betreibt, das so wenig einbringt, dass er selbst nicht vernünftig damit verdient, und das überhaupt nur aufrechterhalten werden kann, wenn die Mitarbeiter regelmäßig unbezahlte Mehrarbeit leisten, dann ist offensichtlich das gesamte Geschäftsmodell unbrauchbar.

Ein ausführlicher Beitrag zu diesem Thema ist erschienen in der neuen musikzeitung 10/2014, S. 37; www.nmz.de/artikel/lotterie-statt-lohn