Kovacs, Yvette

Mitgeschnitten…

Muss ich mir Aufnahmen von Aufführungen gefallen lassen?

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 6/2016 , musikschule )) DIREKT, Seite 05

Frage: AnIässlich der Vortragsübung an einer Musikschule hat eine Mutter mit ihrem Smartphone eine Ton- und Bildaufnahme der gesamten Vortragsübung erstellt und später auf YouTube gestellt. Darf sie das?

1. Das Persönlichkeitsrecht besagt, dass je­de Verwendung einer Persönlichkeit, sei es in Bild, Ton oder anderer Ausgestaltung, widerrechtlich ist, es sei denn, dass sie durch Einwilligung des Betroffenen, ein überwiegendes Interesse oder durch das Gesetz gerechtfertigt wäre. Eine Ausnahme besteht für Aufnahmen, die eine Menschenmenge zeigen, in der der betroffene Einzelne nicht erkennbar ist. Auf die vorliegende Frage bezogen heißt das, dass die Ton-Bild-Aufnahme bei einer Konzertaufführung schon aus persönlichkeitsrecht­lichen Gründen ohne Einwilligung der Auftretenden widerrechtlich ist und damit verboten werden kann. Nachdem die Aufnahme nun schon geschehen ist, kann die Löschung auf dem Smartphone und bei YouTube gefordert werden.

2. Das Urheberrecht schützt unter anderem Urheber und Interpreten von Werken der Kunst. Dieser Schutz erstreckt sich unter anderem darauf, dass allein der Urheber, respektive der Interpret, das Recht hat zu bestimmen, ob, wann und wie ein Werk verwendet, insbesondere auf­geführt, gesendet oder anderswie wahrnehmbar gemacht wird. Das Hochladen von Inhalten zum Beispiel in einen YouTube-Kanal gibt die Möglichkeit des Abrufens des zur Verfügung gestellten Inhalts für Dritte, und es ist das alleinige Recht des Urhebers, respektive des Interpreten des Werks, darüber zu entscheiden. Haben mehrere Personen an einer Darbietung künstlerisch mitgewirkt, so steht ihnen dieses Schutzrecht prinzipiell gemeinschaftlich zu, das heißt jeder Einzelne muss mit einer Aufnahme und dem Hochladen einverstanden sein. Bei einer Chor-, Orchester- oder Bühnenaufführung ist für eine Verwendung der Darbietung aber nur die Zustimmung der Solisten, der Dirigenten, des Regisseurs und der Vertretung der mitwirkenden Künstlergruppe, respektive des Leiters der Künstlergruppe, erforderlich. Bei Werken, deren Urheber nicht bereits seit 70 Jahren verstorben sind, ist im Falle einer szenischen Aufführung zusätzlich die Einwilligung des Urhebers und/oder des Verlags nötig; bei nicht-szenischen Aufführungen werden die Rechte in der Regel von einer Verwertungsgesellschaft wahrgenommen, sodass vorab dort anzufragen ist.

3. Das Fazit ist, dass die Einwilligung aller an der Aufführung Beteiligten für die Aufnahme und den Upload in einen YouTube-Kanal nötig sind. Selbst dann, wenn es sich nur um eine Aufnahme zum Privatgebrauch handelt, das heißt nicht zum Up­load bestimmt, so ist trotzdem aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen die Einwilligung aller erkennbaren Personen notwendig. Aus diesem Grund ist bei Aufführungen eine ausdrückliche Vereinbarung über allfällige Aufnahmen und über einen Upload von großem Nutzen, da das Einholen der Zustimmung aller Beteiligten aufwendig ist.
Ich empfehle daher dringend, für sämtliche an Aufführungen Beteiligte beim Eintritt in einen Chor oder in ein Orchester oder bei der Verpflichtung als Solist, Dirigent oder Regisseur eine Vertragsklausel aufzunehmen, wonach sich der Betreffende damit einverstanden erklärt, dass Aufführungen mit Einverständnis des Leiters der Gruppe aufgenommen und ins Internet gestellt werden können. ldealerweise sollten auch gewisse Qualitätsstandards und die Orte des Up­loads festgelegt werden. Auf diese Weise kommt man Missverständnissen oder gar Klagen zuvor.
Nicht zuletzt ist es aber auch Sache der Veranstalter von Aufführungen, dass sie alle Beteiligten und vor allem das Pub­li­kum darauf hinweisen, dass Bild-, Ton- und Bild-Ton-Aufnahmen verboten sind und den sofortigen Saalverweis unter Einleitung rechtlicher Schritte zur Folge haben. Diesem Verbot muss auch konsequent Achtung verschafft werden, zumal das Publikum solche Verbote nur beachtet, wenn sie gegen alle durchgesetzt werden. Beginnt jemand in einer Aufführung zu filmen, folgt häufig der nächste, und so ist es Sitte, dass viele Aufführungen mit dem Smartphone mitgeschnitten werden und sofort im Internet erscheinen, „weil es ja alle so machen“. Es ist daher wichtig, dass die Frage thematisiert wird, ob und wie man sich hier verhalten will, ob man ein Verbot aussprechen und durchsetzen will oder ob es den Beteiligten einerlei oder sogar erwünscht ist, wenn sie im Internet in Erscheinung treten.

Zu guter Letzt ist auch zu beachten, dass derartige Rechtsverletzungen irgendwann als genehmigt erscheinen, wenn die Verwendung des Smartphones, respektive der Upload ins Internet, bekannt sind, die Berechtigten aber nichts dagegen unternehmen. Daher müssen unerwünschte Aufnah­men und Uploads so rasch wie möglich unterbunden werden.

Zuerst erschienen in Schweizer Musikzeitung 7-8/16.