Karimi, Furugh
MusicGym
Effektiv üben und unterrichten – stressfrei musizieren
Die Neurowissenschaften befassen sich intensiv mit der komplexen Sensomotorik des Musizierens und haben, auch dank moderner Bildgebungsmöglichkeiten des Gehirns, inzwischen immense Erkenntnisgewinne erzielen können. Allerdings wissen wir auch, dass wir vieles noch nicht wissen.
Klar ist, dass Musizierenlernen mehrdimensional, in wechselseitiger Beeinflussung kognitiver, affektiver und motorischer Ebenen erfolgt und dass Pädagogik, Psychologie, Medizin, Körperarbeit, Trainings- und Neurowissenschaften bei musikalischen Lernprozessen ineinandergreifen. Insofern ist ein Buch aus dem pädagogischen Erfahrungsschatz zur Unterstützung effektiven Übens und Unterrichtens und stressfreien Musizierens sehr willkommen.
Furugh Karimi, Flötistin, Sängerin und Pädagogin, vertritt eine ganzheitliche Flötenpädagogik und befasst sich seit vielen Jahren mit Methoden der Körperarbeit in der Instrumental- und Gesangspädagogik sowie mit der Musik-Kinesiologie. Übungen zu Förderung von Koordination, Haltung und Balance, zum Aufwärmen und zur Auftrittssicherheit – viele davon bereits in ähnlicher Form bekannt aus Kindersport, Atem- und Körperarbeit oder Physiotherapie – sind kindgerecht aufgearbeitet und sehr ansprechend illustriert. So werden in der Tat viele Anregungen geboten.
Aus wissenschaftlicher Perspektive ist jedoch die kinesiologische Basis des Buchs kritisch zu sehen. Nun ist dies eine Grundsatzdiskussion, die hier nicht aufgerollt werden kann. Es sollte aber an dieser Stelle nochmals angemerkt werden, dass es sich bei der angewandten Kinesiologie und Varianten wie Edu-Kinestetik und Brain Gym® um alternative, wissenschaftlich nicht belegte Verfahren handelt, die vielfach auf sehr vereinfachenden anatomisch-physiologischen Vorstellungen von Gehirn und Körper beruhen.
Der Nutzen vieler dieser Übungen ließe sich ebenso gut (oder besser?!) aus Erkenntnissen der Kindersport- und Trainingswissenschaften sowie aus der Physiotherapie und der Musikphysiologie erklären. Hier ist bekannt, dass Koordinationsschulung vielseitig, variantenreich und die verschiedenen Sinnessysteme integrierend zu gestalten ist, um die Entwicklung allgemeiner und aufgabenspezifischer koordinativer Fertigkeiten zu unterstützen. Die Wirksamkeit der im Buch zur „Gehirnintegration“ und „Befreiung der Energiebahnen“ dargestellten Übungen würde man aus wissenschaftlicher Sicht anders begründen, als dies die Kinesiologie tut.
Fazit: Das Musizieren ist eine solch komplexe, von vielen individuellen körperlichen, psychomentalen und emotionalen Faktoren beeinflusste Aufgabe, dass eine rein klinisch-wissenschaftliche Herangehensweise nicht ausreicht. Sie muss durch ganzheitliche Ansätze und mentale Strategien ergänzt werden. Die Übungen im Buch greifen dies hilfreich auf. Über die Basiserläuterungen ließe sich aber trefflich streiten.
Maria Schuppert