Beimdieke, Sara / Julian Caskel (Hg.)

Musik und Klimawandel

Künstlerisches Handeln in Krisenzeiten

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: transcript, Bielefeld 2025
erschienen in: üben & musizieren 5/2025 , Seite 60

Später als in anderen Disziplinen und Einrichtungen ist in der Musikwissenschaft und an den musikalischen Ausbildungsinstitutionen das Thema Nachhaltigkeit angekommen.
Der vorliegende Band versammelt 21 Beiträge der Tagung „Musik und Klimawandel. Künstlerisches Handeln in Krisenzeiten“, die im September 2023 an der Folkwang Universität der Künste in Essen stattfand. Die Texte geben Einblicke in zahlreiche Facetten einer „Ecomusicology“, die sich in den letzten Jahren im Aufwind befindet. Elisabeth Treydte und Tino Petzold sprechen von einem „,Crossover‘ aus Musikwissenschaft und Politischer Ökologie“ (S. 217), das wegen der in alle Lebensbereiche hineinwirkenden Klimakrise nach einer Auflösung von engen Fachgrenzen verlange. Susanne Heiter, die den Untertitel „Künstlerisches Handeln in Krisenzeiten“ in einem Kapitel ihres Aufsatzes erörtert, liefert eine klärende Unterscheidung in drei hauptsächliche Absichten: „Präventiv: sammeln, archivieren, dokumentieren“, „Präventiv: emotional berühren, verbinden, Bewusstsein wecken“, „Reaktiv: rekonstruieren, erinnern, transformieren“ (S. 159-165).
Die Beiträge lassen sich grob nach zwei Ausrichtungen gruppieren: in solche, die den Kunstbetrieb mehr als mitverursachenden Teil des Umweltproblems betrachten, und solche, die „künstlerisches Handeln auch als Teil der Lösung“ diskutieren (S. 11).
Das thematische Spektrum ist weit: Aus den Perspektiven von Unterdisziplinen wie Musiksoziologie, Ästhetik, historischer Musikwissenschaft befassen sich die Texte u. a. mit systematischen und ideengeschichtlichen Fragen zum Verhältnis von Musik und Umwelt, etwa mit Kompositionen, die Erscheinungen des Klimawandels aufgreifen, mit Kinderliedern zur Ökokrise, musikpädagogischen Handlungsmöglichkeiten, mit Bemühungen um Nachhaltigkeit in der deutschen Orchesterszene, der klimapolitischen Programmatik von Musikhochschulen und ressourcenschonendem Arbeiten im Fach Musikwissenschaft.
Weitgehend scheinen sich die Beitragenden einig in der von Sarah Wendel formulierten These, die sie nach Maßgabe der antiken Auffassung von Krise als „Wendepunkt auf Grundlage aktiver Entscheidung“ formuliert: „In diesem Sinne benötigen, ja erfordern Krisen vom Grundsatz her kreatives, also im weitesten Sinne künstlerisches Handeln. Denn Kunst bietet uns immer die Chance, das ‚andere‘ als Möglichkeit durchzuspielen.“ (S. 272) Freilich: „Das klassische Konzertpublikum wird auch nach einem umweltthematisch ausgerichteten Konzert vermutlich wieder mit denselben schicken Autos abfahren, mit denen es zuvor angereist ist.“ (S. 267)
Alle Beiträge des Bandes sind lesenswert und verdienen, gewürdigt zu werden. Misslich ist der Verzicht auf Angaben zu den AutorInnen und auf ein Begriffsregister.
Ulrich Mahlert

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