© Christina Bleier

Goebel, Reinhard

Musikalische Paradiesvogel-Scheiße

Wider das „Spezialistentum“ der Streicher in der Alten Musik – eine Polemik mit erstaunten Zwischenfragen

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 4/2016 , Seite 12

Man fasst es kaum: Noch bis in die 1990er Jahre lächerlich gemacht, ist der umfassende Historisierungsprozess – zumindest in Deutschland – in der Mitte der Musikwelt angekommen. Kein Orchester, das nicht wenigstens einmal im Jahr “Barock” auf dem Programm hat, kein junger Pianist, der ohne Kenntnis alter Klaviere auf den Steinway eindrischt, kein Spitzengeiger, der nicht wenigstens zwei verschiedene Bogen-Modelle im Kasten hat… Kenntnisse, zumindest Ahnungen in Sachen Aufführungspraxis gehören inzwischen zum guten Ton und das früher auf 1600 bis 1750 eingestellte Pendel reicht inzwischen bis 1850 – mit einer Menge ernsthafter Fragen und allzu berechtigter Zweifel bezogen auf die Expertenschaft jener, die den weniger expansiv-erfinderischen Musikern halt immer um ein entscheidendes Jahrzehnt voraus sein müssen.

Um es klar zu sagen: Diejenigen, die gestern noch „in Biber machten“, heute Schumann und morgen Brahms „authentisch“ aufführen, sind selbsternannte und vom Feuilleton nach-gekürte „Spezialisten“ für ohnehin und eh’ alles, Sandmännchen fürs Auge – „bitte Schubert-Bögen mitbringen“ – und Ohr: „Stimmung bitte 437“. Irgendein verdrehtes Disktinktionsmerkmal lässt sich immer noch irgendwo ausbuddeln.
Während „moderne“ Orchester, Quartette und Solisten von der Arbeit mit erfahrenen Stilisten ungeheuer profitieren, da sich ihnen gleichsam en passant die Genese, aber auch die Rückabwicklungsmöglichkeit bestimmter, vermeintlich felsenfester und daher meist mit dem Adjektiv „natürlich“ versehener ästhetischer Positionen erschließt, sammelt sich in der Szene der Alten Musik inzwischen eine Menge schmalspurig ausgebildetes Streicher-Personal, dessen Horizont in der zweiten Lage endet, das aber jeden Eindringling mit rollenden Augen und „Total modern“-Buhrufen zu diskreditieren versucht. Was dem Teufel Kreuz und Weihwasser, das sind diesen Kinnhalter und Stütze – und man fragt sich ratlos, was derartig irregeführte Musiker wohl in zwanzig Jahren machen mögen. Denn unüberhörbar ist, dass modern ausgebildete junge Streicherinnen und Streicher heute grundsätzlich mit Vibrato vorsichtiger umgehen, als es in den Hochzeiten des Karajanismus Mode-Regel war, und dass sie, wenn sie methodisch korrekt eingeführt werden, Vivaldis Opus 3 hinreißend viel besser spielen. Und begierig auf Neuland à la Biber sind sie auch!


Das, was die Protagonisten der Alte-Musik-Szene mit ihren Ensembles entwickelt haben, geht also mehr und mehr in die traditionellen Klangkörper über – wie erfreulich! Werden
die Spezial-Ensembles womöglich auf Dauer überflüssig?
Ja. Wenn sie sich nicht durch äußere und innere Qualitäten neue Standards setzen, wird sie das Schicksal der Marginalisierung treffen. Leider gibt es in toto nur wenige Musiker, die die Sinn­haftigkeit oder Sinnlosigkeit ihres Tuns ständig hinterfragen. Viel zu viele tendieren zum Weiterdudeln…

Deutet man die Zeichen der Zeit richtig, dann sind die Tage der schwächeren „Spezialisten“ bald gezählt. Aber wo sind die stärkeren, wo sind stabile junge Ensembles, die durch Kontinuität und Qualität ihrer Arbeit glänzen? Ich kenne nur das französische Ensemble Diderot, geführt von dem in London höchst modern ausgebildeten Geiger Johannes Pramsohler.
Auch in der Geiger-Generation, die dem historisch orientierten Musizieren zu Anerkennung, Erfolg und beruhigender Normalität verhalf – ganz gleich, ob sie an der frühen Normung des Klangstils aktiv beteiligt waren oder ihn sich schnell zu eigen machten, ihn via Schallplatte und CD adaptierten –, war die klassisch orientierte Ausbildung mit Kreutzer, Rode und Dont die Grundlage. Die Spezialisierung, bei Studienbeginn schlicht undenkbar, erfolgte im Lauf des Studiums, welches aber meist herkömmlich abgeschlossen wurde.
Alle führenden Geigerinnen und Geiger kamen und kommen vom modernen Instrument, ganz offenbar ohne Schaden genommen zu haben, und arbeiteten meist jahrelang „zweigleisig“. Dennoch erlauben sie heute als Ausbilder 18-Jährigen das Ausblenden von 200 Jahren hinreißender Violinmusik und das Herumstochern in „musikalischer Paradiesvogel-Scheiße“ von Mealli und Matteis. Das vermeintliche Erlernen der Technik(en) „am Stück“, die nahezu strikte Ablehnung jeg­lichen Etüden-Werks jüngeren Datums, aber auch die Ignoranz der Lehrmethoden Giuseppe Tartinis oder Francesco Geminianis produziert ein Heer von chancenlosen „Barock“-GeigerInnen, die sich vornehmlich mit zwei skordierten Biber-Sonaten (IV und X aus den „Mysterien-Sonaten“) und zwei Castello-Sonaten hören lassen. Bei einem großen internationalen Wettbewerb im Jahr 2014 mit Zulassung sowohl von „Historikern“ als auch modernen Geigern waren von der ersten Gruppe überwiegend desaströse Leistungen zu hören und für die meisten von ihnen war in der zweiten Runde Schluss.


Ist es demnach grundsätzlich richtig, mit einer traditionellen Ausbildung zu beginnen und sie im Sinne der Entwicklung der Virtuosität so weit wie möglich zu treiben? Ohne Angst, dass die traditionelle Ausbildung zu einer Déformation professionelle führt, die den Zugang zu Spielweisen der Alten Musik erschwert?
Ich halte die traditionelle Ausbildung für richtig, vor allem aber für zeitgemäß und der umfassenden Bildung wegen für erforderlich. Worin sollten die besonderen „Spielweisen der Alten Musik“ bestehen? Geigespielen besteht aus Fingerfall, barrierefreiem Strich möglichst rechtwinklig über die Saiten und Koordination. Ich kenne keine barocken Sonderbewegungen! Vom „historischen“ Beginn rate ich dringend ab, denn die Historie liefert keinen Sevcík.


Gibt es dann einen bestimmten Zeitpunkt, wann sich ein Abbiegen empfiehlt?
Erfahrungsgemäß wird das (wenige) Wissen über das Üben im Barock (etwa Tartinis Brief an Lom­bardini-Sirmen) ignoriert und nicht in die Tat umgesetzt. Ob und ab wann man „zweigleisig“ fahren sollte, darüber entscheidet allein die In­teressenlage des jeweiligen Musikers. Ich selbst habe das im Alter zwischen 18 und 23 Jahren getan und habe dann den Spezialisten-Weg eingeschlagen.

Die habituelle Verweigerung der Qualitätsfrage durch die „Spezialisten“ bezieht sich auch aufs Repertoire. Peu à peu wurden früher als Repertoire gehandelte Kompositionen aus dem modernen geigerischen Kanon gestrichen, ohne dass sich die Barock-Spezialisten nun dieser Werke annähmen. Händels D-Dur-Sonate HWV 371 ist hier ebenso zu nennen wie die Vitali-Chaconne, Le Tombeau von Jean-Marie Leclair oder die Sonata D-Dur von Pietro Nardini. Das Ausweichen auf bizarres Nischen-Repertoire, wo es vermeintlich nicht so auffällt, wenn Zweiunddreißigstel wie Sechzehntel und Halbe wie Viertel gespielt werden, lässt die Qualitätsfrage des geigerischen Handwerks erst gar nicht aufkommen: Gefühlte 95 Prozent vor allem der jüngeren Spezialistinnen und Spezialisten sind mit den genannten Standard-Werken hoffnungslos über­­fordert.
Ein klassisch orientiertes Streicher-Studium hinterlässt keinerlei Deformationen, keine irreparablen Schäden und verunmöglicht auch nicht die Spezialisierung nach dem Master-Studium. Weder in der Behandlung der Violine zwischen 1600 und 1800 noch in der des Violoncello gibt es irgendwelche exklusive Spielweisen und Techniken, die man je früher desto besser lernt. Das Spiel auf Streichinst­rumenten bestand und besteht, seit die Inst­rumente um 1550 in Cremona „erfunden“ wurden, aus links Fingerfall und Finger­hebung, rechts dem rechtwinkligen Ziehen des Bogens sowie der Koordinationsaufgabe. Es gibt keine barocken Sonderbewegungen beim Violinspiel, kein verbrämend’ Blendwerk bzw. optisches Zierrat, wie sie „die Szene“ inzwischen in einer Menge von fachliche Distinktion beschwörenden Ersatzbewegungen entwickelt hat. Barock, galant, klassisch und romantisch sind stilistische Primär-Kriterien der Kompositionsweise, nicht aber einer violinistischen Aufführungspraxis.


Wird die Interpretation Alter Musik nicht besser, wenn ausschließlich alte Instrumente, alte Bögen, alte Stimmungen zur Anwendung kommen?
Unfug: Es ist der Kopf, der die Musik macht, nicht das Instrument! Grundsätzlich geht auf jedem Instrument alles, nur manches geht auf den jeweiligen Original-Instrumenten besser. Immer aber entscheidet der Spieler über die Qualität der Darbietung. Für mich war die Erschließung völlig unbekannten Repertoires ohne tradierte Spielregeln der wesentliche Beweggrund, einer­seits zum Original-Instrument zu greifen. Ande­rerseits griff ich aber auch zum Buch, zu Büchern, um die Spielregeln und ihr Warum und Weshalb selbst zu erkunden. Der Gedanke an Revolution und Aufruhr lag mir völlig fern. Ich bin künst­lerisch-sachlich mit einem Werk in (m)einem Elfenbeintürmchen und beziehe mich grundsätzlich nicht auf vorhergehende Interpretationen.

Schon an der Bogenhaltung mancher „Spezialisten“ kann man die Verwirrung im Allgemeinen wie auch im Besonderen ablesen: Ein nahezu rechtwinklig zum Unterarm hin abgebogenes Handgelenk und ein Bogengriff weit oberhalb des Froschs sollen Kennerschaft signalisieren – sind aber kaum mehr als die Umsetzung fragwürdiger Gemälde in die geigerische Realität, wozu schon der Biber-Zeitgenosse Johann Jacob Prinner den bissigen Kommentar gab: Der Maler hatte mehr Ahnung vom Pinsel als vom Bogen. Warum nicht einfach der Abbildung in der Violinschule Leopold Mozarts folgen? Was soll das Gerede von Schwerpunkt-Verlagerung? Warum sollte ich denn den Schwerpunkt verlagern und dabei auf gut fünf Zentimeter Strichlänge verzichten?
Was es gleichwohl gibt – für mich ist das die „conditio sine qua non“ jeglichen historisch orientierten Musik-Machens –, ist die intellektuelle Durchdringung von Form und Stil, des einem jeden Werk immanenten Theorie-Gebäudes sowie die Eingebundenheit der Komposition in die diversen Größer-höher-weiter-schneller-Koordinaten ihrer Entstehungszeit.
Immer bezogen sich Kunstwerke aufeinander, denn Komponieren war bis 1800 eine Leistung des Kollektivs, einem Staffellauf vergleichbar: Man nahm an und gab weiter (um einen künstlerischen Mehrwert bereichert – Mattheson nennt es in der Tat „Zinsen“). An einem populären Beispiel erläutert: Die moderne Interpretation der Ciaccona aus Bachs d-Moll-Partita verwaltet die vergangenen hun­dert Jahre Interpretations­geschichte, während die historisch-kritisch orientierte Methode die überaus widersprüchlichen Aussagen zum Themenkomplex Chaconne-Passacaglia der hundert Jahre zwischen 1620 und 1720 beackert, zur Kenntnis nimmt und aus der Genealogie des Bach’-schen Zwitters – der theoretische Mainstream formulierte, dass Chaconnen in Dur und recht flott, Passacaglien hingegen in Moll und langsamer zu nehmen seien – ihren Deutungsansatz bezieht.
Ernsthaft weitergedacht, ergibt sich an diesem Punkt die Gretchen-Frage, ob und wie und warum denn überhaupt ein Musizieren historischer Musik bewusst „un-historisch“ orientiert sein kann und von wo, aus welcher Quelle ein diesen Weg einschlagender Künstler seine Inspiration gewinnen mag, auch womit er seine Interpretation abzusichern und deren Raison d’etre zu erklären gedenkt. Es ist der Historismus-Bewegung gleichsam nolens-volens gelungen, die so essenzielle Diskussion angestoßen und ohne Chef-Vordenker gleichsam aus der Praxis, aus der Aufführungspraxis heraus in die Mitte der Musikwelt katapultiert zu haben: Schadet Wissen der Kunst? Oder anders formuliert: Was muss ich in einen Menschen hineinschütten, um Kunst herauszubekommen?


Es ist also möglich, viel zu wissen und dennoch unbeschwert zu spielen?
Es ist ja nicht „Wissen“ gefragt, sondern Durch­blick. Und dieser provoziert und befeuert gera­-de­zu die musikalische Begeisterung und den Schwung. Meine Arbeitsweise mit modernen Orchestern ist: Lieferung von bis auf Punkt und Komma eingerichtetem Material und in den Proben Erklärung der Form, der Figuren, des geistigen Zusammenhangs von Werk und Zeit… Die Wirkung konzertanter Darbietung von Musik des 18. Jahrhunderts beruht zu 50 Prozent auf der Qualität der Komposition, die anderen 50 Prozent liefert die wissende Nachzeichnung durch die Instrumentalisten. Das Publikum ist durchaus imstande, die Klugheit, die geschlossene Raison d’etre einer Darbietung wenn nicht zu hören, dann doch zu empfinden.

Da das Komponieren bis 1800 grundsätzlich mimetischer, die Natur(en) in irgendeiner Wei­se nachahmender Art war – rare Ausnahmen von Carl Philipp Emanuel Bach und Mozart bestätigen diese Regel –, sollten tonangebende Musikerinnen und Musiker die Regeln der Dechiffrierung kennen und beherrschen. Es tut der Kunst wahrlich keinen Abbruch zu wissen, dass Haydn häufig menschliche Charaktere nachzeichnete oder die „Brandenburgischen Konzerte“ Bachs ein Herrscherbild sind: Über die Jagd geht’s zu Fama und ihrer Ruhm verkündenden Trompete, dem Eifer folgt der gute Hirte mit gleich zwei Blockflöten, Mars wird vom süßen Klang des Traverso beruhigt und begleitet vom Klang der Viole da braccio und der Viole da gamba sinkt dann auch der Fürst ins Grab.
Stört dieses Wissen die „Kunst-Produktion“? Ist es wirklich nebensächlich – oder nicht doch die inspirierende Hauptsache? Oder sind nicht eher „Improvisation“ und „Verzierungskunst“ leere Worthülsen aus dem distinktionär bedachten Arsenal der Barockisten?


Sind „Klassiker“ nicht für Improvisation versaut? Sie beschreiben oft selbst das Gefühl, dass Millionen geübter Tonleitern und Dreiklänge, die tief verinnerlichten Patterns, Ausdrucksmuster, Klangvorstellungen der klassischen Geigenkultur sie quasi unfähig machen zu improvisieren.
Klassik und Improvisation sind tatsächlich die am weitesten voneinander entfernten Punkte musikalischer Anforderungen, fast schließen sie einander aus: Ausnahmen bestätigen die Regel. Doch warum das Crossover erzwingen? Es liegt zwar voll im Trend, aber Barbra Streisand mit Händel ist ebenso wenig abendfüllend wie David Garret mit den „Vier Jahreszeiten“. Just do, what you can best!

Im Bereich der Alten Musik improvisiert man nicht, man ornamentiert allenfalls, man erzählt eine vorhandene Text-Vorlage mit teils umschweifigen Erklärungen, teils anderen Worten nach. Diese Techniken sind erlernbar, sie erfordern nur wenig Ingenium. Wie immer und überall kommt man hier durch Einsicht zur Durchsicht, durch Analyse zur Erkenntnis von wesentlichen und willkürlichen Verzierungen. Erstere werden immer benötigt, auch und gerade weil sie nicht notiert sind, die anderen hingegen sind nur den Solisten vorbehalten. Gut bzw. überzeugend ornamentieren zu können, bedarf ständiger Übung.
Aber die meisten heutigen „Spezialisten“ schaffen noch nicht einmal einen intellektuellen Einstieg, sondern halten einen ausgefüllten Quartsprung bereits für atemberaubend kreativ. Da der Gesamtbestand einer barocken Komposition in der Harmoniefolge des Continuos liegt, könnte man verschiedene Arten der Ornamentik auch an Hänschen klein lernen. Ja, ich weiß: Das Lied ist keine Originalkomposition.


Welche Aufgabe stellt sich nach alledem für die Hochschulen? Braucht jede Hochschule heute, angesichts der Omnipräsenz der Alten Musik im zeitgenössischen Musikleben, ein entsprechendes Institut?
Ausgerechnet mir diese Frage zu stellen, ist gefährlich: Ich bin elitär, ausgesprochen elitär! Sicher muss eine Hochschule in die Breite gehen, auch zahlenmäßig etwas vorweisen können. Aber ich sehe zu wenige „Speerspitzen“, die aus diesem Heer von „mittleren Talenten“ heraus­ragen. Die Hochschulen machen schon sehr viel und es muss die Frage erlaubt sein, ob das Gros der Studierenden die ihnen gegebenen Möglichkeiten überhaupt wahr-, vielleicht sogar „in Anspruch“ nimmt.
Hochschulen sollten nach meinem Dafürhalten umfassend gebildete Stilisten für die Bereiche 18., 19. und 20. Jahrhundert haben, die den Studentinnen und Studenten klarmachen, dass Musik nur ein Teil der gesamt-künstlerischen Äußerungen einer Epoche ist, die ihnen die epochal unterschiedlichen Beweggründe und Zielsetzungen ihrer Kunst erklären können und durch geschickte (In-)Fragestellungen das ubiquitäre „Also ich finde“ abgewöhnen. Diese Aufgaben können nicht mit einem Master-Studium in Kulturmanagement bewältigt werden, sondern erfordern erfahrene „Zwischenschaftler“, die für ihr Fachgebiet brennen!

Die aufgespießten Missstände betreffen nicht ausnahmslos, aber doch im Wesent­li­chen die Violinfamilie. Matthäuspassion oder Weihnachtsoratorium mit modernen Inst­ru­men­ten? Wer will sich als Dirigent oder Chorleiter schon als ewig-gestrig outen. Und so versteckt man/sich dann im Grosso eine Menge Fußvolk, das „lörningbeiduing“ zum „Spezialist“ wird. Im Zuge dieser Entwicklung sind echte „full-time“-Ensembles mit eigenem Repertoire so gut wie ausgestorben, Telefon-Begleit-Orchester, in denen immer wieder die gleichen Leute unter jeweils anderer Flagge sitzen, die Regel.
Das grundsätzliche Unbehagen an jeglicher Kritik und der entschieden selbstreferenzielle Charakter der meisten Darbietungen der Szene sowie dreißig Jahre, die vorbeigingen, ohne die notwendige Zunahme an künstlerischer und technischer Qualität zu liefern, lassen die aufkommende junge Generation der Nicht-mehr-nur-Spezialisten als große Hoffnungsträger erscheinen. Mit ihnen an einer äußeren und inneren Runderneuerung der historischen Aufführungspraxis zu arbeiten: mein höchstes Anliegen und tägliches Vergnügen!

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