Breitfeld, Claudia / Ute Jung-Kaiser / Brigitte Vedder (Hg.)
Musikpädagogik und Musikwissenschaft
Renaissance einer Wechselbeziehung verwandter Disziplinen
Es ist ein stetig sich wandelndes, mitunter auch von „Schieflagen“ geprägtes Wechselverhältnis, in dem die Nachbardisziplinen Musikpädagogik und Musikwissenschaft seit jeher stehen. Umso dankenswerter die Ambition vorliegender Sammlung, Verzahnungen beider Fächer (neu) zu bedenken und so einen Ausgangspunkt zu setzen für die Revision alter Standpunkte genauso wie für die Entwicklung neuer gemeinsamer (Forschungs-)Perspektiven.
Zwischen solchem Anspruch und der konkreten Umsetzung allerdings – ob das nun die konzeptionelle Gesamtanlage oder redaktionelle Details betrifft – klaffen dann doch erhebliche Lücken. Im Sinne einer kritischen Bestandsaufnahme und in unterschiedlichem Zugriff thematisieren die Texte zwar inhaltliche und fachgeschichtliche „Berührungspunkte“ zwischen beiden Disziplinen. Dies geschieht sowohl in Form weitausgreifender grundsätzlicher Darstellungen als auch mittels spezieller Einblicke in Forschungsprojekte – u. a. zu Aspekten wie Emanzipation der Musikpädagogik als eigenständige Wissenschaft; produktive Bezugnahme auf erweiterten Musik- und bedeutungsorientierten Kulturbegriff (Musikpädagogik) sowie auf Konzepte der Geschichtsdidaktik bzw. der Naratologie (Musikwissenschaft) im Zusammenhang des cultural turn der 1960er Jahre; historische Dimension(en) musikalischen Lehrens und Lernens; Musik-Hören als verbindender Themenbereich im Spannungsfeld von kognitionswissenschaftlich geprägter Psycho- resp. Neuromusikologie und soziologisch orientierten sound studies.
Im Weiteren allerdings zeigt sich: Das Zueinander der Nachbardisziplinen wird hier aus einem explizit musikpädagogischen Blickwinkel erörtert – was denn doch eine einseitige Akzentsetzung bedeutet. Der Bericht über das Forschungsprojekt „sparkling ears“ unterstreicht da noch sehr angemessen die bereits markierte Relevanz des beiden Fächern gemeinsamen Themenfelds Musik-Hören (Stichwort „Offenohrigkeit“). Im Folgenden indes nehmen Reflexionen zum Selbstverständnis des Fachs Musikpädagogik (Fokus: Stellenwert musikwissenschaftlicher Perspektive(n) in Ausbildung und Berufspraxis) einen doch unverhältnismäßig breiten Raum ein.
Im Umkehrschluss kommt daher der Aspekt möglicher musikpädagogischer Schwerpunkte innerhalb der Musikwissenschaft schlicht zu kurz. Zudem mangelt es in Vorwort und „Nachklang“ der Herausgeberinnen an sprachlicher resp. redaktioneller Sorgfalt (holprige Formulierungen, inkorrekte grammatikalische Bezüge) und auch klärender Sachlichkeit (polemisch-verzerrende Bemerkungen zu kompetenzorientierten Curricula).
So bleibt ein eher zwiespältiger Eindruck, was schade ist. Denn gerechtfertigterweise formuliert der Band ein engagiertes Plädoyer dafür, dass beide Fächer zukünftig vielmehr noch in ein kooperatives Miteinander eintreten.
Gunther Diehl