Mitzscherlich, Beate
Musikpsychologie im Instrumentalunterricht – eine Einführung
In rechter Weise dazu anzuleiten, ein Instrument zu spielen, und gleichzeitig Musikliebe und Musikverständnis zu fördern: Das ist ein anspruchsvoller und komplexer Beruf. Vom Anfänger bis zum Fortgeschrittenen, mit jungen oder auch (zunehmend) alten Teilnehmern, einzeln, in der Gruppe oder im Ensemble: Immer sind vielfältige und nicht nur musikalische Aufgaben zu bewältigen. Weil Instrumentalunterricht auf allen Stufen künstlerisch-technischen Anspruchs und kreativer Selbstverwirklichung möglich ist, reicht die Bandbreite der Anforderungen von fast schon therapeutischem Handeln bis hin zur Arbeit auf professioneller Ebene – das verlangt hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.
Wer in dieser Situation nach Unterstützung sucht, um sich nicht nur auf die eigene Intuition verlassen zu müssen, der ist mit diesem Buch gut beraten. In den Kapiteln „Wahrnehmung“, „Motivation“, „Spielbereitschaft“, „Bewegung“, „Emotion“, „Lehrer-Schüler-Beziehung“, „Kommunikation“, „Leistung und Wettbewerb“, „Identität und Gesundheit“, bei denen sich ein Thema sozusagen aus dem anderen ergibt, bearbeitet die Autorin gründlich und sachkundig verschiedene Problemstellungen, die im Instrumentalunterricht vorkommen können. Sie gibt keine schnell umsetzbaren Rezepte, sondern regt erst einmal zum Beobachten an, zum Fragen, und schlägt vor, das Unterrichten nicht nur unter den gewohnten künstlerischen und pädagogischen Gesichtspunkten zu sehen, sondern psychologische und physiologische Überlegungen einzubeziehen.
So ist es z. B. sehr wichtig, von Anfang an Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse der Lernenden wahrzunehmen, eben weil bereits in den ersten Unterrichtsstunden die Weichen gestellt werden für Erfolg oder Misserfolg. Ebenfalls betont wird die Notwendigkeit, das eigene Musizieren auch unter gesundheitlichem Aspekt zu reflektieren, um den Unterricht so gestalten zu können, dass keine Gesundheitsgefährdung zu erwarten ist, sei es durch die Instrumentenwahl oder durch falschen Ehrgeiz (des Schülers oder auch des Lehrers). Hier ist von Anfang an Prävention durch Aufmerksamkeit geboten, um späteren Erkrankungen vorzubeugen.
Auftretende Probleme werden gut beschrieben, die Verbesserungsvorschläge sind plausibel und begründet. Manche Problem-Situationen scheinen mir nicht ganz glücklich gewählt, nicht allgemein genug dargestellt, manches wird man auch aus eigener Erfahrung anders sehen wollen. Wert und Notwendigkeit des Buchs mindert das nicht, denn aus den Zusammenfassungen am Ende der Kapitel entsteht nach und nach eine wertvolle Wissensbasis für die vorausschauende Gestaltung eines Instrumentalunterrichts, in dem idealerweise Spannung und Entspannung, Haltung und Bewegung, Spiel und Arbeit im Gleichgewicht sind.
Die den einzelnen Kapiteln vorangestellten Bilder zeigen junge Musiker in verschiedenen Situationen. Freude, Anspannung, Neugier, auch Verdruss, die ganze Skala der Gefühle spiegelt sich in ihren Gesichtern und in ihrer Körpersprache wieder: eine wirklich gut gelungene Illustration der Thematik. Einen solchen Unterricht zu geben braucht nun aber vor allem eines, nämlich Zeit: die des Lernenden, der heuzutage im Allgemeinen ziemlich „verplant“ ist, und die desjenigen, der ihn erteilt (und der oft halbe Stunden oder Gruppenunterricht geben muss aus rein finanziellen Gründen). Schade, wenn durch die oft ungünstigen Rahmenbedingungen von Musikunterricht die Wirksamkeit des Buchs und damit die Umsetzung der dort gegebenen Anregungen früher oder später an ihre Grenzen stoßen würde.
Ursula Pesek