Bruhn, Herbert / Reinhard Ko­piez / Andreas C. Lehmann (Hg.)

Musikpsychologie

Das neue Handbuch

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Rowohlt, Reinbek 2008
erschienen in: üben & musizieren 5/2008 , Seite 55

Dieses Handbuch ist gut lesbar und bietet fundiertes Basiswissen. Sowohl MusikpsychologInnen als auch MusikerInnen und Musikliebhaber gewinnen einen guten Einblick in diese Disziplin. Musiksoziologie, die musikalische Entwicklung des Menschen (wobei sich zwei lesenwerte Essays auch mit alten Menschen und Musik beschäftigen), Randbereiche wie Synästhesie, der alltägliche Umgang mit Musik, Musikerkrankheiten und neurowissenschaftliche Grundlagen der Musikwahrnehmung sind ebenso vertreten wie der Vergleich von Komposition und Improvisation. Der musikalischen Sozialisation wird gebührend Raum gegeben, aber auch die psychoakustischen Grundlagen kommen nicht zu kurz. Das absolute Hören, immer noch ein schillernder Begriff, wird ebenso wie die Amusie auf aktuellem Forschungsstand erklärt.
Selbstverständlich fehlen auch nicht Schlagwörter wie „Beethoven-Kult“ (der bildungsbürgerliche Umgang mit dem hehren Gut der klassischen Musik) und „Schwanen-Gesang-Phänomen“ (die These, dass ältere Komponisten melodische Einfachheit und kürzere Dauer in ihren Kompositionen bevorzugen). Manchmal mischt sich eben ein wenig Ironie zwischen die Zeilen. So zum Beispiel, wenn ältere Versuche der Beschallung von Pflanzen mit Rockmusik und die berühmten Kühe, die bei Musik von Mozart mehr Milch produzierten, herangezogen werden. Daher macht das Lesen dieses Handbuchs streckenweise ganz einfach Spaß.
Das Handbuch bietet löblicherweise und wissenschaftlich korrekt keine Patentrezepte: Der Begriff der musikalischen Begabung beispielsweise wird hinterfragt, definiert und die Tests zur Messung derselbigen werden gelistet und verglichen. Der goldene Weg durch den Dschungel dieses Reizthemas wird jedoch nicht angeboten.
Trotz der relativen Kürze der Essays wird das jeweilige Thema immer gut eingeführt und immer werden ältere Theorien oder Forschungsansätze erwähnt, um ein möglichst umfassendes Bild des Jetzt-Standes der Forschung zu zeichnen. Die AutorInnen, allesamt namhafte Fachleute, gehen umsichtig mit den Inhalten um, schaffen es, auf wenigen Seiten viele fundierte Informationen in klaren Worten wiederzugeben. Ein paar Abbildungen, Glossare und das Namens- und Sachregister erleichtern in üblicher Weise den Umgang mit dem überraschend gut in der Hand liegenden Wälzer.
Die jeweiligen Literaturlisten sind umfangreich und aktuell, jedem Essay ist eine Zusammenfassung vorangestellt. Auch bei nur punktuellem Interesse lohnt sich ein Blättern in diesem Handbuch. Sicher ersetzt es keine intensiven Studien, aber es frischt mit aktuellen Texten Wissen auf oder weckt Neugier für diese Disziplin.
Heike Eickhoff