Gutzeit, Reinhart von

Musikschule – Bildung mit ­großer Zukunft

Vom elementaren Musizieren zum Weltverständnis: der weite Horizont der Musikschularbeit

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 4/2011 , Seite 06

Unter dem Motto “Musikschule – Bildung mit Zukunft!” fand vom 20. bis 22. Mai der Musikschulkongress 2011 des Verbands deutscher Musik­schulen (VdM) in Mainz statt. Wir geben den Eröffnungsvortrag von Reinhart von Gutzeit in leicht gekürzter Fassung wieder.

Zu Ihnen spricht ein „in der Wolle gefärbter“ Musikschulmann: Musikschulschüler in Düsseldorf mit acht Jahren, Musikschullehrer mit 19 in Meerbusch; später Musikschulleiter in Rheinbach bei Bonn, dann 16 Jahre in Bochum. Der VdM hat den ersten Teil meines beruflichen Lebens geprägt wie kaum etwas anderes. Aber nun ist es schon 16 Jahre her, dass ich mich – auch bei einem Musikschulkongress – von Ihnen in Richtung Österreich verabschiedet habe. Das Bruckner-Konservatorium (später Bruckneruniversität) in Linz ist eng verknüpft mit dem aus hiesiger Sicht so unglaublich gut ausgestatteten Musikschulsystem Oberösterreichs und deshalb vielleicht die einzige Musikhochschule in unserer Hemisphäre, an der die musikpädagogische und die rein künstlerische Ausbildung einander uneingeschränkt respektieren, ergänzen und unterstützen.
Vor fünf Jahren hat mich der Weg dann zu einer der renommiertesten Musikuniversitäten der Welt geführt, deren hohes künstlerisches Niveau den Rektor stolz macht – für die Musikpädagogik am Haus gilt allerdings, dass sie sich die Anerkennung der Künstler und ihren Stellenwert am Mozarteum immer wieder erkämpfen muss. Dies gelingt in zunehmendem Maße und ist wohl auch Bestandteil eines Trends: Soweit ich sehe, wächst die Einsicht, dass der Fortbestand unseres Musiklebens eine qualifizierte Musikpädagogik voraussetzt, an allen Musikhochschulen.
Dies alles vorausgeschickt, um klarzumachen, dass mein Blick auf die deutsche Musikschulszene zwar von viel Erfahrung und großer Zuneigung, aber auch von einem gewissen Abstand geprägt ist. Vielleicht werden Sie an manchen Stellen sagen: Der weiß ja gar nicht, wie der Musikschulalltag von heute ausschaut. Aber der Alltag ist auch weniger das Thema dieses Vortrags als die Zukunft der Musikschulen und der musikalischen Bildung! Vielleicht war es gerade die Mischung aus Nähe und Distanz, die die Kongressverantwortlichen zur Einladung bewogen hat. Peter Röbke und ich werden Ihnen von unseren positiven Erfahrungen aus drei Städten (Wien, Linz, Salzburg) und einem Land berichten, in dem Musik und Musikschularbeit eine andere politische Akzeptanz genießen als in den meisten Regionen Deutschlands.
Allerdings muss ich sagen, dass ich selten eine Veranstaltung wie die heutige erlebt habe, bei der die politischen Repräsentanten mit so viel Nähe und Sachverstand über Musikerziehung und die Arbeit der Musikschulen gesprochen haben. Das tut gut und kann vielleicht zusammen mit den positiven Beispielen aus Österreich dazu dienen, einer gewissen Verzagtheit – der berühmten Schere im Kopf – zu begegnen.

Die Schere im Kopf

Oft hört man „aus den eigenen Reihen“ Verständnis dafür, „dass die Zuschüsse zu den Schulen nicht mehr in dem bisherigen Maße fließen können“. Ich kann und will mich dieser Sichtweise nicht anschließen. Bin ich realitätsblind? Wir wissen natürlich, dass nicht genügend Geld in den öffentlichen Haushalten ist, um alle Forderungen (die begründeten und die auf Unersättlichkeit gründenden) erfüllen zu können. Wir wissen aber auch, dass viel Geld in die Hand genommen wird – unter anderem, um teure Rettungsschirme verschiedener Art zu spannen. Ich möchte das nicht kritisieren – aber was ist mit dem Rettungsschirm für die bedrohte Bildung?
Nicht ohne Zögern kommt ein solcher Satz über die Lippen. Die Kulturschaffenden und besonders wir Musiker und Musikpädagogen sind nicht gut darin, lautstark Forderungen zu erheben. Und wer möchte wohl derzeit politische Verantwortung tragen und trotz einer außerordentlich bedrängten Lage permanent mit Forderungen konfrontiert werden, die nicht aus dem Blickwinkel des Allgemeinwohls, sondern aus dem der eigenen Klientel gestellt sind?
Aber auch bei strenger Selbstprüfung sehe ich uns nicht als eine Stimme in diesem Chor. Für Bildung eintreten heißt nämlich genau das: sich für das Allgemeinwohl einzusetzen. Es geht nicht um Interessenpolitik, sondern um die Zukunft der nächsten Generation(en). Ihnen gegenüber haben wir, die beiden Nach­kriegsgenerationen, uns ohnehin mehr als be­denklich verhalten. Wir haben auf ihre Kos­ten gelebt und Ressourcen verbraucht, als gäbe es kein Morgen. Wollen wir ihnen auch noch vorenthalten, was ihre Chance sein könnte, dennoch Zukunft zu gestalten: eine gute Bildung?

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2011.