Doerne, Andreas

Musikschule neu erfinden

Ideen für ein Musizierlernhaus der Zukunft

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2019
erschienen in: üben & musizieren 5/2019 , Seite 58

In Musikschule neu erfinden beschreibt Andreas Doerne, Professor für Musikpädagogik an der Musikhochschule Freiburg, unter anderem am Beispiel der Musikschule Waldkirch, wie musikbezogene Bildungsangebote und musizierpraktische Tätigkeitsfelder die Architektur des dortigen Neubaus beeinflusst haben. Die hierbei entstandene offene Gestaltung des Hauses bietet Lehrenden und Lernenden die Chance, die Musikschule als pluralistischen Lernort wahrzunehmen und zu nutzen.
Sehr anschaulich legt Doerne dar, welche Dynamiken sich ergeben, wenn ein Musizierlernhaus vielfältige Lernkanäle anspricht und multifunktional als Übe-Refugium, Aufnahmestudio, Musikspielplatz, Klanglabor, Kom­positionswerkstatt, Bandproberaum, Ensembleatelier, Konzerthaus, Jazzclub, Hörlounge, Seminarort, Musikbibliothek, sozialer Treffpunkt und Unterrichtsstätte in einem fungiert. Bewusst verschwimmen hier die Grenzen ­zwischen Lehrkräften und SchülerInnen, es entstehen neuartige Lernanreize, die sich positiv auf die Motivation aller Beteiligten auswirken und der heutigen ­Lebenswirklichkeit mit auf ­Augenhöhe stattfindenden Beziehungen statt einer starren Hierarchie entsprechen.
Im zweiten Teil der Publikation geht es um Bausteine wie u. a. Silent-Instrumente, Lerngemeinschaft, Musikproduktion und den Nutzen digitaler Medien. Stets bezieht der Autor sehr klar und gut begründet ­Position, die teilweise einiges an Sprengstoff enthält und unter der Leserschaft für kontroverse Diskussionen sorgen dürfte, wie beispielsweise bei ­seinen Ansichten über den Umgang mit dem musikalischen Erbe.
Insbesonders der dritte und längste Teil bietet unter der Überschrift „Vertiefungen“ eine große Zahl von Texten, deren ­Themen viele wichtige Erneuerungen in der Institution Musikschule bewirken dürften. Doerne setzt den LeserInnen glücklicherweise kein Patentrezept vor, sondern bietet ihnen seine Ideen als Open-Source-Gedanken im besten Sinne an.
Musikschule neu erfinden macht deutlich, welch enormes Potenzial sich entfalten kann, wenn man bereit ist, überholte Dogmen über Bord zu werfen und Veränderungen zuzulassen – alles Dinge, die hier beim Namen genannt werden. Aber auch wer keinen Musikschulneubau plant, sollte dieses Buch gelesen haben. Auch traditionelle Institutionen oder Privatmusiklehrkräfte werden sich durch Doernes zahlreiche wertvolle Denkanstöße inspirieren lassen. Respekt für diese großartige Arbeit!
Kristin Thielemann