Herbst, Sebastian
Musikschulen in Kooperation
Systematische Konzeptionierung und reflexive Modifikationsbereitschaft als Voraussetzung gelingender Kooperationen
Musikschulen und deren Lehrende kooperieren in vielfältiger Weise mit unterschiedlichen BildungspartnerInnen. Welche Aspekte gilt es aber zu berücksichtigen, damit Kooperationen für alle Beteiligten zufriedenstellend sind? Durch eine differenzierte Betrachtung von Kooperation sowie unter Berücksichtigung ausgewählter Ergebnisse empirischer Forschung soll dies am Beispiel von Schulkooperationen diskutiert werden.
Eine erfolgversprechende Initiierung und Gestaltung von Kooperationen zwischen Musikschule und Schule sowie die sinnvolle Diskussion über deren Gelingensbedingungen setzen voraus, sich zunächst der Bedeutung und der verschiedenen Facetten von Kooperation bewusst zu sein. Häufig kommt dies leider viel zu kurz: „Kooperationen zwischen allgemein bildenden Schulen und Musikschulen […sind] Phänomene, welche in den meisten Fällen eher praktiziert als theoretisch ausführlich geplant und reflektiert werden.“1 Meines Erachtens liegt hier der Ursprung aller Probleme in Kooperationen, sodass ich in diesem Beitrag eine Systematik von Kooperation entfalten möchte, die bei der Planung und Reflexion von Kooperationen zur Unterstützung herangezogen werden kann (siehe Abbildung). Mit Hilfe ausgewählter Ergebnisse empirischer Forschung werden dabei Fragen zu strukturellen Rahmenbedingungen von Kooperationen zwischen Musikschule und Schule sowie Bedingungen für das Unterrichten im Tandem in interprofessionellen Teams diskutiert, aus denen sich darüber hinaus Hinweise für die Gestaltung einer kooperativen Aus- und Weiterbildung ableiten lassen.
Kooperation und Kooperationsformen
In Abgrenzung zu den Begriffen „Netzwerk“, der die Beziehungsstruktur zwischen Personen oder Institutionen fokussiert, sowie „Vernetzung“, der den aktiven Prozess der Kontaktanbahnung meint, definieren Daniela Schleifenbaum und Vanessa Walther Kooperation als „eine Zusammenarbeit, das heißt ein gemeinsames, zeitlich befristetes oder dauerhaftes Handeln zwischen zwei oder mehreren Akteuren bzw. Einrichtungen zur Verfolgung/Erreichung eines kollektiven Zwecks/Ziels“,2 wobei ein bestimmtes Handlungsproblem den Auslöser einer Zusammenarbeit darstellt.3 Als Voraussetzung für eine solche Zusammenarbeit sehen sie „Kommunikation“, „gemeinsame Zielsetzung“, „Koordination“, „Toleranz“, „Vertrauen“, „Hilfs- und Teilbereitschaft“, „gemeinsame Ressourcenbeschaffung und -teilung“ und die „Einhaltung auferlegter Weisungen“.4 Schleifenbaum und Walther differenzieren Kooperationen zudem hinsichtlich
– Kontaktform,
– Kooperationsebene,
– Kooperationsrichtung,
– Kooperationscharakter,
– Form der Zusammenarbeit sowie
– Kooperationsintensität.
Dies soll im Folgenden in Anlehnung an die Autorinnen und am Beispiel von Kooperationen zwischen Musikschule und Schule näher ausgeführt werden.5
Kontaktform und Kooperationsebene
Hinsichtlich der Kontaktform können Kooperationen bilateral zwischen zwei Akteuren oder multilateral zwischen mehreren Akteuren erfolgen. Dabei lassen sich verschiedene Kooperationsebenen unterscheiden. Während sich institutionelle Kooperationen durch eine längerfristige und durch formale Absprachen gesicherte Zusammenarbeit von Institutionen auszeichnen, wird in aufgabenbezogenen Kooperationen anlassbezogen punktuell und zeitlich begrenzt zusammengearbeitet. Im Rahmen personeller Kooperationen kommt es hingegen auf der Ebene der MitarbeiterInnen zu Kooperationen mit informellem Charakter, die ebenfalls längerfristig erfolgen können.
Bei Kooperationen von Musikschule und Schule handelt es sich meistens um bilaterale Kooperationen, die in ihrem Grundverständnis den Logiken der Institutionen folgen.6 Sinnvoller erscheinen jedoch Kooperationen in einem sozialraumorientierten Verständnis, in denen sich die Institutionen als Teil der Bildungslandschaft verstehen und nicht die Institutionen selbst, sondern die Lebenswelten von SchülerInnen bei einer Verknüpfung von formalem, non-formellem und informellem Lernen im Mittelpunkt stehen. In diesem Fall orientieren sich die Angebote in besonderer Weise an den SchülerInnen, um deren Teilhabemöglichkeiten an musikalischer Bildung zu verbessern – und dieses Denken führt zur Entgrenzung der Institutionen als Erweiterung der jeweiligen Perspektive.7 Das Übehaus in Essen-Kray,8 die Programme „Regionale Bildungsnetzwerke“9 und „Kulturagenten für kreative Schulen“10 oder auch Andreas Doernes Ideen für ein Musizierlernhaus11 gehen bereits in diese Richtung.
1 Anna-Maria Meyer-Clemens: Kooperation zwischen allgemein bildender Schule und Musikschule. Theorie und Praxis – Bedingungen – Evaluation, Marburg 2006, S. 94.
2 Daniela Schleifenbaum/Vanessa Walther: Kooperationen auf dem Prüfstand. Wie die pädagogische Praxis die Zusammenarbeit wahrnimmt und gestaltet, Bielefeld 2015, S. 44.
3 vgl. ebd., S. 22.
4 vgl. ebd., S. 23.
5 vgl. ebd., S. 33-39.
6 vgl. Thomas Busch: „Von der Kooperation zu einer sozialräumlich orientierten musikalischen Bildungslandschaft – was bedeutet das?“, in: Silke Schmid (Hg.): Musikunterricht(en) im 21. Jahrhundert. Begegnungen – Einblicke – Visionen, Augsburg 2015, S. 33.
7 vgl. ebd., S. 33-41.
8 www.uebehaus.de
9 www.regionale.bildungsnetzwerke.nrw.de/Regionale-Bildungsnetzwerke/index.html
10 www.kulturagenten-programm.de/startseite/aktuelles
11 vgl. Andreas Doerne: Musikschule neu erfinden. Ideen für ein Musizierlernhaus der Zukunft, Mainz 2019.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 6/2019.