Bastian, Hans Günther
Musik(v)erziehung – Denkimpulse
Gedanken – Thesen – Aphorismen – Metaphern – Bonmots. Ein etwas anderes Sach- und Lesebuch zur Musikpädagogik
Manchmal ist ein Buchtitel Programm. So auch dieser: Ein Kaleidoskop zum Thema Musikpädagogik kündigt sich an – in Sprache gegossene „moments musicaux“ gewissermaßen, in humoristischer Verpackung mit Bonmots, Cartoons, Karikaturen. Ein Sprachspiel im Buchtitel taucht den Inhalt in helles Dur, zu dem indes das düstere Moll des Covers wenig passen will.
Ein Lesebuch zur Musikpädagogik also, jenseits der üblichen Fachpublikationen – so der 2011 verstorbene Hans Günther Bastian. Unterteilt in verschiedene Rubriken streifen die jeweils knappen Beiträge Themenfelder und Fragen u. a. zur Ausbildung von MusiklehrerInnen, zur Musikpädagogik als Wissenschaft, zur Musik allgemein, zu Leistungswettbewerben und Laienmusik, zum Selbstbild von Orchestermusikern und zur Kulturpolitik. Hinter der Vielfalt schimmert indes eine Grundüberzeugung des Autors durch: jene, dass Musik den ganzen Menschen bilde, dass der (Musik-) Unterricht mehr sei als nur Vermittlung von Wissen, ja, dass das Sich-Einlassen auf Musik etwas mit „Liebe“ zu tun habe.
Unschwer wird hier ein humanistisches, ganzheitliches Bildungsverständnis sichtbar. Von daher erklärt sich Bastians Kritik am reinen Wettbewerbsehrgeiz, bei dem der musikalische Inhalt verloren gehe, wie auch sein Eintreten für eine Musizierpraxis, in der das Ensemblespiel zugleich ein Einüben eines sozialen Miteinanders bedeute.
Bei allen Vorzügen gedanklicher Impressionen werfen sie auch ihre Schatten: Zumindest jene, dass das zentrale Thema des Buchs an keiner Stelle systematisch durchdekliniert wird. Was sich unschwer angeboten hätte, denn schließlich lassen sich an der Geschichte des Fachs Musikpädagogik allgemeine pädagogische Paradigmenwechsel der vergangenen Jahrzehnte ablesen. Etwas bedauerlich ist auch, dass die vielen aufschlussreichen Aussagen von OrchestermusikerInnen und SchülerInnen über sich selbst und ihre Arbeit nicht einer vorsichtigen interpretatorischen Deutung zugeführt werden.
Bleiben die Prunkstücke des Buchs: die aphoristisch zugespitzten, oftmals humorvollen Gedanken und Bonmots. Trotz aller Vorzüge treffen auch sie nicht immer ihr Ziel. So triumphiert in der Aussage „Beschriebene Musik ist wie erzähltes Mittagessen“ gewiss der Witz, übertüncht aber das Grundproblem einer interpretatorischen Aufarbeitung musikalischer Inhalte: die Möglichkeit ihrer Versprachlichung. Und auch jene Gedankensplitter, in denen von den „beiden ontologischen Seins-Ebenen der Musik“, von der fehlenden „wissenschaftslogischen Theorieentfaltung im musikpädagogischen Denken“ oder gar von der Ausbildung „gesunder Anfänger“ die Rede ist, wären ob ihrer schiefen Sachlage bzw. ihrer höchst problematischen politischen Assoziation besser dem Rotstift zum Opfer gefallen.
Winfried Rösler