Röbke, Peter
Musizieren im kunterbunten Dschungelorchester
Was ist guter Instrumentalunterricht vor dem Hintergrund des JeKi-Projekts? – Teil II
Das Projekt “Jedem Kind ein Instrument” beschäftigt weiterhin viele unserer Leserinnen und Leser. In der vergangenen Ausgabe veröffentlichten wir unter dem Titel “Der musikalische Ernstfall” den ersten Teil eines Vortrags, den Peter Röbke im Rahmen von JeKi-Tagungen in NRW und Hessen gehalten hat. Lesen Sie nun die Fortsetzung.
Von dem jetzt erreichten Punkt aus ist die zentrale Frage in Bezug auf JeKi nun nicht mehr defensiv: „Wie realisieren wir die traditionelle instrumentale Unterweisung unter extrem schlechten Bedingungen, das heißt mit großen Gruppen, vielen unterschiedlichen Instrumenten und einer extrem unterschiedlichen Schülerklientel?“, sondern offensiv: „Eröffnet uns die soziale und pädagogische Ausgangssituation nicht auch die Chance, JeKi wenigstens im Ansatz zu einer musikalische Praxisgemeinschaft werden zu lassen, zu einem musikalischen Miteinander, in denen sich das Lernen als zunehmende Partizipation entfaltet?“
Wenn wir die Fragestellung so verändern, dann bedeutet das nicht, dass damit das Bemühen um einen guten instrumentalen Gruppenunterricht suspendiert wäre (und auch nicht das um eine Flexibilität der Unterrichtsformen). Allein, wir bleiben nicht mehr bei dieser Frage stehen, gehen „beyond didactics“ und entziehen uns ein wenig dem ungeheuer negativen Ballast der Gruppenunterrichtsdebatte. Und der Perspektivenwechsel wirft dann ganz neue Fragen auf:
Nehmen wir an, das Kennenlernen der Instrumente im ersten JeKi-Jahr würde sich am Curriculum des Hamburger Teams um Christoph Schönherr orientieren: „Es geht nicht allein darum, das Instrument zu sehen und vorgeführt zu bekommen, sondern um das Erforschen und Erleben seiner vielfältigen Klangmöglichkeiten (sowohl im konventionellen als auch im experimentellen Bereich) bei gleichzeitiger Förderung und Stärkung des musikalischen Ausdrucks- und Gestaltungswillens. So wird aus der reinen Information (‚diese Instrumente gibt es‘) eine sinngebende Erfahrung (‚diese Instrumente haben mit mir zu tun‘).“1 Dann wäre es fatal, wenn sich die Kinder nach diesem Einstieg im mehr oder weniger traditionellen Instrumentalunterricht (und sei dieser auch in der Gruppe) wiederfänden, in einer Veranstaltung, wo in Bezug auf die Spieltechnik des Instruments plötzlich „ernst gemacht wird“, in dem Sinne, dass vielleicht der Zusammenhang von musikalischer Intention und musikalischem Ausdruck und instrumentalem Handwerk zerreißt… Mir scheint es also ganz wichtig, dass sich nicht plötzlich der Instrumentalunterricht in den Vordergrund drängt (dass sozusagen nach der Einstimmungsphase der „eigentliche“ Unterricht beginnt), sondern dass sich der Instrumentalunterricht immer in einer Hilfs- und Zulieferungsfunktion für das gemeinsame Musizieren begreift. Also nicht Hauptfach „Geige“ und Ergänzungs- oder gar Nebenfach „Orchester“, sondern genau andersherum!
1 Anke Dieterle/David Dieterle/Frauke Haase/Kai Jacobs/Christoph Schönherr/Hans-Georg Spiegel: Jedem Kind ein Instrument. Unterrichtsmaterialien, Band 1, Stuttgart 2008, S. 2.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2010.