Wippel, Christina

Neue musikalische Verhaltensweisen

Wie Jugendliche das Smartphone nutzen

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 2/2015 , Seite 39

Das Handy ist ein Kommunikations­medium – aber nicht nur. Längst hat es andere Aufgaben übernommen: Ein Handy ist Spielkonsole, Kamera, Filofax, MP3-Player, Zugang zum Internet und vieles mehr. Vor allem Jugendliche nutzen die Multifunk­tionalität der Smartphones, wie eine empirische Untersuchung gezeigt hat.

Kommunikationsmedien beeinflussen jegliches und somit auch musikalisches Verhalten in hohem Maße. Smartphones mit Zugang zum Internet können zu jeder Zeit und überall ein geradezu unerschöpfliches Musikangebot zur Verfügung stellen. Und das, ohne dafür bezahlen zu müssen. Außerdem kann jede und jeder musikalisch kreativ werden, die oder der im Besitz eines Smartphones ist. Ob digitale Versionen akustischer Inst­rumente, Synthesizer, Bass- und Drumsounds oder Beatproduction – es war nie so einfach, Musik zu produzieren.
Um zu erforschen, wie sie ihre Smartphones in Bezug auf Musik nutzen, wurden im Frühjahr 2013 elf Jugendliche im Alter zwischen 15 und 17 Jahren zu Gruppendiskussionen rund um das Thema „Smartphones und Musik“ an das Institut für Musiksoziologie der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien eingeladen. Die Studie brachte bemerkenswerte und unerwartete Ergebnisse.

Allgemeiner Umgang mit dem Smartphone

Vorweg sei bemerkt, dass es den einen Jugendlichen nicht gibt. Vielmehr kann Jugend je nach Voraussetzungen sehr unterschiedlich durchlebt werden. Die Ergebnisse der Studie zeigen dennoch zwei Tendenzen.
Die eine Gruppe zeichnet sich durch ein ­hohes Maß an Identifikation mit ihrem, in der Regel eher neuen Smartphone aus. Das Handy befindet sich andauernd in unmittelbarer Umgebung und wird in den seltensten Fällen abgedreht. In vielen Fällen wird das Handy wie ein Tagebuch verwendet – Nachrichten, Fotos oder Lieder werden gespeichert und der Alltag so dokumentiert. Das Smartphone wird zum Symbol für das soziale Netz der Jugendlichen, es verbindet sie mit ihren Freunden. Der Verlust des Geräts wird mit dem Gefühl der Hilflosigkeit oder Nacktheit beschrieben. Sie haben laut eigenen Angaben ihr ganzes Leben auf dem Handy gespeichert. Andere Geräte, wie etwa Laptop oder PC, treten in den Hintergrund. Die eigenen PC-Kenntnisse werden häufig als sehr schwach eingeschätzt. Auf Nachrichten wird für gewöhnlich sofort reagiert. Smartphones sind für sie nach eigenen Angaben überlebenswichtig!
Die andere Gruppe geht reflektierter mit dem Smartphone um, schaltet es in besonderen Situationen – Urlaub, Zeit mit der Familie, Freizeitaktivitäten – auch einmal aus und achtet darauf, dass das Handy nicht die Überhand gewinnt. Auch Handys ohne Internetzugang werden von dieser Gruppe gelegentlich verwendet. Sie empfinden ältere Handymodelle sogar als durchaus charmant. Vor allem die Reduktion auf die Grundfunktionen Telefonieren und SMS-Schreiben wird sehr positiv bewertet. Die Präsenz der Smartphones im öffentlichen Raum und im Umgang miteinander wird kritisiert. Ein Leben ohne Smartphone stellen sie sich romantisch vor. Trotzdem spielt das Smartphone für sie eine wichtige Rolle. Vor allem, wenn es um Organisatorisches geht. Verabredungen werden von zu Hause aus nur vage formuliert, Ort und Zeit wird erst unterwegs konkreter. Wie sich die Generationen zuvor, ohne Handys überhaupt verabreden konnten? Rätselhaft.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2015.