Thielemann, Kristin

Notfalltipps für Online-PädagogInnen

Jetzt muss es schnell gehen: erste Schritte für den Online-Unterricht

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren online , Seite 02

Möglicherweise geht es Ihnen wie vielen anderen MusikpädagogInnen in der Coronakrise: Sie stehen vor der Wahl, Ihren Unterricht vorübergehend einzustellen oder nach Alternativen zu suchen, wie die Lektionen trotz des aktuellen Zustands fortgesetzt werden können. Sehr wahrscheinlich haben Sie sich nun dafür entschieden, es mit  digitalem Unterricht zu versuchen…

Eine gute Wahl, denn Ihre SchülerInnen brauchen Sie! Auch die Kinder und Jugendlichen wurden von dieser Krise überrascht. Daher ist es wichtiger denn je, dass Dinge, die sie von davor kannten, in irgendeiner Form fortgeführt werden. Der Instrumental- und Gesangsunterricht, der viele SchülerInnen über viele Jahre ihres Lebens begleitet, kann hier ein wertvoller Anker sein. Auch sollten Sie sich bewusst sein, dass Sie möglicherweise eine der wenigen erwachsenen Personen außerhalb des Elternhauses sind, zu denen Ihr Schüler oder Ihre Schülerin jetzt noch regelmäßig Kontakt hat.
Von Ihren SchülerInnen gebraucht zu werden, ist jedoch nur ein Aspekt, der für Online-Unterricht spricht. Auch Sie selbst finden leichter in den Krisenalltag, wenn Sie etwas zu tun haben. Denn möglicherweise leiden auch Sie unter dem Leben mit vielen Einschränkungen. Und selbstverständlich gehen Sie mit einem Aufrechterhalten Ihrer Unterrichtstätigkeit einer Erwerbstätigkeit nach, für die Sie eine Bezahlung erwarten dürfen.

Stundenplanung nach bewährtem Plan

Als hilfreich beim spontanen Start des Online-Unterrichts hat sich erwiesen, den Stundenplan von vor den Schulschließungen zunächst zu übernehmen. So vermeiden Sie unnötigen Stress für sich selbst mit dem Erstellen einen neuen Plans. Aber seien Sie nicht dogmatisch, wenn kurzfristig der Wunsch nach einer Vormittagslektion an Sie herangetragen wird. Teilen Sie den Eltern Ihrer SchülerInnen mit, dass Sie den Unterricht zur gewohnten Zeit weiterführen werden, nur eben in digitaler Form. Eine kurze Video-Botschaft mit dem Hinweis auf eine geeignete Kommunikations-App für die Online-Lessons und der Aufforderung, sich bei Technik-Hilfewünschen direkt an Sie zu werden, ist sehr benutzerfreundlich und wird von den Eltern Ihrer SchülerInnen sicher geschätzt werden.

Video-Botschaft

– Für eine Video-Botschaft können Sie sich sehr einfach selbst mit dem Handy filmen. Stellen Sie vor der Aufnahme in den Einstellungen die Bildqualität im Videomodus herunter. So hat Ihr Video eine geringere Größe und lässt sich dadurch leichter versenden und herunterladen.
– Wenn Sie Ihre Lektionen über die bevorzugte Kommunikations-App Ihrer SchülerInnen planen, sollten Sie in dieser in der Regel einen Videochat finden (z.B. bei WhatsApp). Falls Ihnen und Ihren SchülerInnen diese Klangqualität ausreicht, ist das für einen Einstieg optimal. Eine klanglich höherwertige Qualität liefern allerdings andere Kommunikations-Apps wie z. B. ZOOM, auf die an anderer Stelle eingegangen werden soll.
– Klären Sie vor Beginn der Unterrichtsstunde (beispielsweise am Tag vorher), ob Sie den Schüler anrufen sollen oder er sich bei Ihnen meldet.
– Auf Ihrer Seite können Sie einiges für eine optimale Klangqualität tun, die beim Schüler ankommt.
– Auch über die Datenschutzgrundverordnung DSGVO sollten Sie mit den Eltern sprechen.

Notenmaterial bereithalten

Für eine Online-Lektion ist es von Vorteil, wenn Sie das gleiche Notenmaterial zur Hand haben, welches auch der Schüler benutzt. So ist es viel leichter, mit der eigenen Kamera in die Noten zu filmen und eine spezielle Stelle zu zeigen, an der Sie arbeiten möchten. Wenn Sie den Schüler bitten, eine Notiz in den Noten vorzunehmen, können Sie dies ebenfalls in Ihren eigenen Noten demonstrieren.

Kommunikation verändern

Im Online-Unterricht entsteht je nach Übertragungsgeschwindigkeit der Netze eine mehr oder weniger kurze Verzögerung. Rechnen Sie also damit, dass Ihr Gegenüber bei einer Fragestellung oder Aufforderung etwas mehr Zeit benötigt, um zu reagieren. Zudem ist die beim Schüler ankommende Sprach- und Klangqualität insbesondere bei weniger guter technischer Ausrüstung häufig schlecht. Kommunizieren Sie daher in klaren, kurzen Sätzen und beschränken Sie sich zunächst auf nur geringe gesprochene Inhalte. Sie werden feststellen, dass selbst bei gleichbleibend unzureichender technischer Ausstattung sich Ihr Schüler an diesen Unterricht gewöhnt und Sie mit der Zeit immer besser verstehen lernt.

Sinnvoll arbeiten im Online-Unterricht

Insbesondere wenn Sie technisch noch nicht gut ausgerüstet sind und/oder auf Schülerseite nur mit einem Handy oder Tablet und ohne spezielles Mikrofon gearbeitet wird, werden Sie feststellen, dass manche Inhalte nicht wie gewohnt zu beurteilen sind und Sie an dieser Stelle vorübergehend wenig Hilfestellung leisten können. Rechnen Sie damit, dass hierzu vor allem folgende Themenbereiche gehören: Klang, Phrasierung, Dynamik und Tonfärbungen. Aber auch bei Parametern, die sich bisher in erster Linie optisch beurteilen ließen, könnten Sie (je nach Kameraeinstellung beim Schüler) auf Schwierigkeiten stoßen. Hierzu zählen insbesondere Bogen- und Fingerhaltung bei Streichern, Atmung bei Bläsern sowie Fingersätze bei Tasten- und Zupfinstrumenten.

Geeignete Inhalte schaffen

Ein wichtiger Punkt beim Online-Unterricht ist übersichtliches Material. Sie werden froh sein, wenn Sie nicht mit Ihrem Schüler während der Lektion auf die Suche nach einem gewissen Zettel in seinem Kopienstapel gehen müssen. Auch hier zeigt sich einmal mehr der Pluspunkt von hochwertig gemachten Originalnoten. Auch Sammelbände, die ein wenig einfachere Stücke bereithalten, als der Schüler zu leisten in der Lage wäre, sind in der ersten Zeit des Online-Unterrichts unschätzbar wertvoll für einen motivierenden Unterricht, bei dem schnelle Erfolgserlebnisse hörbar werden. Viele Sammelbände bieten schön gemachte Demo-Aufnahmen, mit denen der Schüler für sich alleine weiterlernen kann, sich Höreindrücke verschafft oder auch neue Ziele entwickelt (“Dieses Stück möchte ich auch spielen können!”).

Ziele im Online-Unterricht

Ziele motivieren. Und so ist es extrem wichtig, dass Sie selbst in einer Zeit, wo Menschen gezwungen sind, daheim zu bleiben, Ihren Schülerinnen und Schülern Ziele geben, die ihre Fantasie beflügeln und sie dazu anregen, sich weiterhin und intrinsisch motiviert mit ihrem Instrument zu beschäftigen. An dieser Stelle sollten nur Stichwörter genannt werden.
– Wie wäre es mit einer Übe-Challenge oder der Teilnahme an einem Musik-Flashmob, der an Sonntagabenden um 18 Uhr die Nachbarn mit Livemusik durchs offene Fenster erfreut?
– Auch selbstgedrehte Videoclips für die Großeltern oder andere nahestehende Personen können geeignet sein. Bedenken Sie bitte, bei allem, was Sie in irgendeiner Form im Internet veröffentlichen oder versenden, die schriftliche Zustimmung der Eltern einzuholen. Auch ist Vorsicht bei Werken geboten, die unter das Urheberrecht fallen. Diese können nicht einfach irgendwo veröffentlicht werden. Auskünfte erhalten Sie in Deutschland bei der GEMA. Alternativ weichen Sie auf Klassische Musik aus, die eine Fülle von Werken bereithält, die Ihre Schüler begeistern werden.
– Mit Multi-Video-Apps wie beispielsweise Acapella können selbst technisch weniger versierte Schülerinnen und Schüler eigene kurze Filme drehen, bei denen sie selbst mehrere Stimmen nacheinander einspielen, die am Ende durch die App gleichzeitig abgespielt werden. Auch ist es möglich, hiermit eigene Aufnahmen weiterzuversenden und so beispielsweise Band- oder Kammermusik zu machen.

Nach dem ersten Online-Unterricht

Nun empfiehlt es sich, für jeden Schüler und jede Schülerin individuell zu überlegen, wo genau Verbesserungspotenzial besteht. Können Sie mit verändertem Unterrichtsmaterial entscheidende Verbesserungen erzielen? Ist es sinnvoll, auf eine andere Kommunikationsplattform wie beispielsweise ZOOM auszuweichen, die insbesondere für den Klang von Musikinstrumenten einige praktische Funktionen bereithält? Oder ist die Internetverbindung so instabil, dass Sie diesen Schüler zu einer anderen Zeit unterrichten müssen, wo die Internetnetze weniger überlastet sind?
Bei überlasteten Netzen, zu geringer Geschwindigkeit oder anderen nachhaltigen Problemen, die sich nicht durch kurzfristige technische Umrüstung mit vorhandenen Geräten beheben lassen, ist möglicherweise eine Kombination aus Live-Online-Lesson und ergänzenden Videoinhalten eine sinnvolle Möglichkeit, mit der Sie den Unterricht aufrechterhalten können.

Kombination aus Live-Online-Lesson und Videoinhalten

Wie bereits beschrieben, kann es aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein, Ihre Live-Unterrichtszeit zu verkürzen und stattdessen einen weiteren Inhalt per Video zu senden. Bitte beachten Sie, dass Sie den Eltern die Vorteile gut kommunizieren sollten, wenn Sie den Live-Unterricht verkürzen und stattdessen individuell auf ihr Kind zugeschnittene Videoclips senden, die eine passgenaue Lernhilfe bieten. Hier haben Sie zwei bestechende Argumente auf Ihrer Seite: Zum einen sollten Sie auf den Vorteil für den Schüler hinweisen, der durch individuelle Videoclips entsteht, die so oft wie gewünscht angeschaut und somit Inhalte vertieft werden können. Zum zweiten investieren Sie genau die selbe Zeit in den Unterricht Ihres Schülers, indem Sie Live-Online-Lessons erteilen und anschließend ein kurzes Lernvideo drehen und versenden.

Video-Botschaften an die Eltern

Gerade jetzt, wo die Coronakrise noch neu ist und alle Menschen gezwungen sind, ihren Alltag neu zu organisieren, haben Eltern eine Menge mehr Aufgaben als Menschen ohne Kinder. Über Nacht ungewollt die eigenen Kinder zum Home-Schooling daheim zu haben und häufig mit wenig geeignetem Material arbeiten zu müssen, birgt viel Sprengstoff und lässt die Nerven dünner werden. Die Eltern Ihrer Schülerinnen und Schüler werden daher eine Kommunikationsform zu schätzen wissen, die benutzerfreundlich ist. Gerade wenn Sie eine große Klasse zu betreuen haben und vielen nun die gleichen Dinge mittels Elternbrief kommunizieren würden, sind Video-Botschaften ein Mittel, welches ich Ihnen sehr ans Herz legen möchte. Dieses Video können Sie mit Ihrem eigenen Handy filmen und sogar einen vorgeschriebenen Elternbrief vorlesen, falls Sie sich unsicher fühlen und Bedenken haben, etwas zu vergessen. Fassen Sie sich aber so kurz, dass die Eltern Ihren Clip auch gerne bis zum Ende ansehen und dieser eine Datenmenge hat, die sich versenden und herunterladen lässt.