Banowetz, Joseph

Pedaltechnik für ­Pianisten

Ein Handbuch

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2008
erschienen in: üben & musizieren 5/2008 , Seite 58

Einleitend sei ein Satz aus der Abhandlung über Pedalkunst von Günter Philipp zitiert: „Man kann ohne Übertreibung sagen, dass bei einem großen Teil des pianistischen Nachwuchses eine mangelhafte Pedaltechnik gute manuelle Leistungen paralysiert, weil sie im Unterricht mehr oder weniger dem Selbstlauf überlassen wird.“ Dem möchte unser Autor abhelfen.
Joseph Banowetz, in der Tradition von Clara Schumann und Béla Bartók ausgebildet, ist Professor für Klavier an der University of North Texas, international bekannt als Interpret, Autor und Pädagoge. Sein Handbuch veröffentlichte er bereits 1965 unter dem Titel The Pianist’s guide to Pedaling. In den 15 Kapiteln erfahren wir wirklich fast alles über die Pedale beim Klavier, über ihre Geschichte, ihre grundsätzlichen Techniken, die Notationsweisen und gebräuchlichen Ausdrücke für ihren Einsatz auf englisch, französisch, italienisch und auf deutsch. Banowetz hat den Versuch unternommen, alle Problematiken bewusst zu machen, mit denen es im Wandel der Zeiten Instrumentenbau, Aufführungsräume, ästhetische Auffassungen, Stile und Geschmack der Individuen zu tun hatten. Das ist ihm zweifelsfrei hervorragend gelungen.
Im ersten Teil sind die Einsatzmöglichkeiten des rechten Pedals anhand von 179 Literaturbeispielen aufgezeigt; 32 Beispiele beschreiben den Gebrauch des Sostenutopedals allein und gekoppelt mit dem rechten, 21 Beispiele stehen für den Einsatz des linken auch in Verbindung mit dem rechten, ja sogar aller Pedale gleichzeitig. Großen Wert legt Banowetz auf stilistische Überlegungen beim Umgang mit Pedalen. So ist der zweite Teil ausgewählten Komponisten und Stilen gewidmet. Es werden Pedalisierungen bei Bach, Haydn und Mozart, Beethoven, Schumann und Liszt sowie der katalanischen Schule ausführlich dargestellt.
Im letzten Kapitel wird an Werken von Debussy und Ravel Walter Giesekings Pedalkunst von seinem Schüler Dean Elder exemplarisch beschrieben, wobei Giesekings Anmerkungen aus dem Unterricht interessant zu lesen sind. Auch die Beiträge über Beethoven, Chopin und die Spanier haben Koautoren mit großer Fachkompetenz verfasst.
Die Literaturbeispiele stammen fast durchweg aus dem Virtuosenbereich. Das heißt, der Autor wendet sich an fortgeschrittene Studierende. Für die übrigen vermissen wir in einem Handbuch Pedaltechnik ein Kapitel mit elementaren Übungen oder wenigstens einem Hinweis auf entsprechende Literatur, z. B. auf Uli Molsens Pedalkurs von 1983: Erfahrungen und Anregungen in Modellen und Literaturbeispielen – da geht es um das Hörenlernen. Bedauerlicherweise fehlen dem Literaturverzeichnis trotz seiner 187 Angaben viele Autoren wichtiger Arbeiten, z. B. Leonid Kreutzer (Leipzig 1915), Josef Dichler (Wien 1948), Klaus Wolters (Regensburg 1975) und Günter Philipp (Leipzig 1984). Gelegentlich stößt man auf eine Ungereimtheit oder Darstellung eines zweifelhaften Sachverhalts, z. B. auf Seite 11: ein Spinett mit Pedal. Ist das ein Irrtum des Autors, ein Fehler der ansonsten guten Übersetzung oder hat die Korrektur nicht funktioniert?
Gutes Pedalisieren, sagt Anton Rubinstein, mache drei Viertel der Kunst des Klavierspiels aus, es sei die Seele des Klaviers. Und bei Chopin lesen wir: „Die richtige Anwendung der Pedale bedarf eines lebenslangen Studiums.“ Damit sollte schon in den ersten Stunden des Anfängerunterrichts begonnen werden. Doch darauf geht Banowetz nicht ein. Auch das weite Feld neuerer, experimenteller Klaviermusik wird kaum berücksichtigt.
Ungeachtet dieser Einschränkungen ist jedoch dieses Handbuch sehr zu empfehlen. Ein vorzügliches Register erleichtert den Umgang.
Reinhold Schmidt