Podgornov, Nicolai

Piano Album

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Universal Edition, Wien 2007
erschienen in: üben & musizieren 4/2008 , Seite 57

Album für die Jugend, Abteilung: für Kleinere – damit wäre der Inhalt dieses Hefts treffend beschrieben. „Nach drei Dingen“, schreibt Robert Schumann, „sehe ich als Pädagog besonders, gleichsam nach Blüthe, Wurzel und Frucht, oder nach dem poetischen, dem harmonisch-melodischen und dem mechanischen Gehalt, oder auch nach dem Gewinn für das Herz, für das Ohr und für die Hand.“ Diese Trias trifft zu auf die Miniaturen von Nicolai Podgornov. Der Autor, (*1950) kam mit acht Jahren an die Musikschule für Hochbegabte in Leningrad, wo er bis 1968 studierte. Er war als Instrumentalist, Sänger und Leiter in verschiedenen Rock-, Pop- und Jazzgruppen und als Klavierlehrer tätig. Seit 1991 lebt er in Deutschland.
Die vorliegenden Stücke sind laut Podgornov nicht nur für Kinder geschrieben, sondern auch für erwachsene Anfänger oder Wiedereinsteiger zum Auffrischen vorhandener Kenntnisse. Das Album enthält 31 Klavierstücke im Schwierigkeitsgrad 1-5 nach der 15-stufigen wolterschen Skala. Die bildkräftigen Titel führen in die Vorstellungs- und Erlebniswelt von Kindern: Das Springseil ist übrigens eine Komposition der 6-jährigen Renata. Der Trommler, Das Fröschlein und Das Tigerjunge fallen optisch auf, weil sie auf nur einem 5-Liniensystem notiert und die beiden letztgenannten für rechte bzw. linke Hand allein zu spielen sind. Die Reise des Luftballons und Das Echo enthalten Pedalangaben, ebenso der Walzer für Lena, bei dem identische Teile einmal mit und danach ohne Pedal, und zwar staccato zu spielen sind.
Alle Stücke sind mit Vortragsbezeichnungen (meist auf deutsch), dynamischen Angaben, Artikulationsbezeichnungen, sogar Taktzahlen versehen, zehn Nummern haben Metronomangaben. Auffallend sind die häufigen Staccatoforderungen und Vorschriften wie „leicht“, „leicht und beweglich“ etc. Dazu Schumann: „Allerdings müssen die Finger und Hände von Kindheit an locker, lose und schnell gemacht werden; je leichter die Hand, je vollendeter die Darstellung.“
Zwar kommen die Stücke fast ausnahmslos auf ausgetretenen Pfaden daher, ihre Harmonik bleibt im Konventionellen und über die Hälfte steht in C-Dur, aber Podgornovs Miniaturen ist eine wunderbar charmante, schöne, nostalgische Schlichtheit in Melodie und Begleitung zu eigen. Sie haben „das, wodurch wir die Jugend anreizen, dass sie über der Schönheit des Werkes die Mühsamkeit, es sich zu eigen zu machen, vergesse“, nämlich den „Reiz der Phantasie“ (Schumann). Wir brauchen solche motivierende Musik.
Podgornovs Piano Album kann uneingeschränkt empfohlen werden. Seine Stücke sind wunderbare kleine Etüden: „im weitesten Sinne ist jedes Musikstück eine Etüde… Im engen müssen wir aber an eine Etüde die Forderung stellen, dass sie etwas Besonderes bezwecke, eine Fertigkeit fördere, liege diese in der Technik, Rhythmik, im Ausdruck, im Vortrag usw.“ (Schumann). Podgornovs Stücke erfüllen Schumanns Forderung. Wir warten auf die zweite Abteilung: für Erwachsenere.
Reinhold Schmidt