Garben, Cord

pianodoctor

Ratgeber für große und kleine Klavierspieler. Tipps berühmter Pianisten und Lehrer. Technische Hilfen und Übungen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Staccato, Düsseldorf 2015
erschienen in: üben & musizieren 5/2015 , Seite 54

Als handliche Kurzlektüre vorwiegend für Laien hat der Klavierratgeber eine kleine Tradi­tion, die auf namhafte Pianisten wie Edwin Fischer (Von den Aufgaben des Musikers, 1960) und Andor Foldes (Wege zum Klavier, 1978) zurückgeht. Jetzt legt der Musikproduzent Cord Garben, langjähriger Aufnahmeleiter bei der Deutschen Grammophon, ­eine Broschüre vor, die sich mit Körperhaltung, Anschlag, Fingersätzen, dem Üben und Auswendiglernen sowie den möglichen Erkrankungen des Bewegungsapparats beschäftigt. Garben, der auch als Liedbegleiter und Dirigent aufgetreten ist, weiß, dass man diese Themen in solcher Kürze nicht sinnvoll abhandeln kann, und beschränkt sich daher jeweils auf knappe Hinweise.
Dabei kommt ihm einerseits zugute, dass er auf persönliche ­Begegnungen mit Klaviergrößen wie Wilhelm Kempff und Arturo Benedetti Michelangeli rekurrieren kann; auch Claudio Arrau dient (vermittels der Interviews, die Joseph Horowitz mit ihm führte) des Öfteren als Tippgeber. Dort, wo es ganz fachspezifisch wird, in der Anschlags- und Agogik-Analyse des zweiten Satzes aus Beethovens Pathétique op. 13 etwa, wird der Berufspianist andererseits auf viele Ungereimtheiten stoßen: Zu kurz und zu einseitig gefasst („Die hervortretende Oberstimme nicht mit den Fingern anschlagen“, S. 49), ist die Darstellung komplexer Sachverhalte eben fast immer auch falsch.
Bei Garbens Hauptanliegen, der sogenannten Lockerheit und den gesundheitlichen und künstlerischen Gefahren falscher, verkrampfter Spielweisen, gibt es die wertvollsten Anmerkungen und sogar einige konkrete Entspannungsübungen. Die Bedeutung, die Garben den Fingerübungen von Brahms beimisst (vermittelt durch Brahms’ Schülerin Eugenie Schumann), wird der erfahrene Pädagoge ebenso unterschreiben wie die Empfehlung der Übungen von Joseph ­Pischna, die Garben aus dem Munde von Michelangeli zu hören bekam.
Garben schließt sein Büchlein mit einer recht zufällig wirkenden alphabetischen Zitatenfolge berühmter Pianisten von Franz Liszt bis Wilhelm Neuhaus; so nebenbei erfährt man darin gleichwohl Wertvolles wie die Methode des Übens auf der Tischplatte, die der Rachmaninow-Lehrer Nikolai Zverev praktizierte.
Eine glücklichere Hand möchte man dem Lektorat wünschen, das den prominenten amerikanischen Autor Harold Schonberg hartnäckig als „Schoenberg“ durchgehen lässt, auf Seite 10 nur die Bildunterschrift, nicht aber das Foto von Wilhelm Kempff liefert und sich mit einer Literaturliste von gerade einmal 15, teils grundlegenden, teils marginalen Titeln begnügt. Dass Friedrich Kalkbrenner, Jahrgang 1785, „im Zug zwischen Kassel und Berlin geboren“ wurde (Seite 17), bedarf ebenfalls eines erneuten Nachdenkens…
Rainer Klaas