Pimp Your Blues

Bücher und das darin enthaltene Notenmaterial können eine große Hilfe beim Lernen neuer Phrasen und Akkorde sein, aber wesentlich anschaulicher ist es, das neue musikalische Material live zu erleben, das heißt es vorgespielt zu bekommen und Handhaltung und Fingersatz wirklich zu sehen. Ralf Fiebelkorn von der newmusic.academy produziert deshalb seit geraumer Zeit Lehrvideos mit den Lehrkräften seiner Schule, die im DVD-Format den Lehrer ins heimische Wohnzimmer holen und eine ausführliche Gitarrenstunde ersetzen können.
Thema von “Pimp Your Blues” ist Solo- und Rhythmusspiel über den guten alten Blues. Die DVD beginnt mit einer Erklärung des zwölftaktigen Bluesschemas. Dozent Tim Gebel ist kein geschliffener Rhetoriker, erklärt aber ausführlich und auch für theoretisch weniger bewanderte GitarristInnen leicht verständlich. Verschiedene Standardbegleitpatterns werden vorgestellt, bevor es mit 7/9-Akkorden und kleinen Bassläufen weitergeht.
Alle daraus entstehenden Begleitpatterns sind auf der DVD im eBooklet in Noten und Tabulatur exakt aufgeschrieben. Die PDF-Datei kann auf dem Computer geöffnet und ausgedruckt werden. Verlorene Booklets gehören somit der Vergangenheit an. Eine gute Idee.
Nach den verschiedenen Begleitpatterns werden Konzepte und Tonleitern zum Solospiel über den Blues erklärt. Neben der Moll- und der Dur-Pentanonik werden auch Arpeggios und die Robben Ford Scale (Moll-Pentatonik mit kleiner Sexte statt Septim) in verschiedenen Lagen erklärt. Im Beispielsolo demonstriert Tim Gebel dann, wie man diese theoretischen Konstrukte praktisch anwenden und in Musik verwandeln kann. Schade, dass das gelungene Solo nicht im Booklet enthalten ist, denn gerade für fortgeschrittene GitarristInnen, die die Tonleitern beherrschen, aber nicht genau wissen, wie sie sie anwenden sollen, wäre eine Transkription interessant gewesen.
Als Abrundung gibt es noch ein paar Turnarounds mit recht unkonventionellen, komplexen Fingersätzen (Eric Clapton und Stevie Ray Vaughan wären wohl verblüfft, wo Tim Gebel klassische Blues-Endings auf dem Griffbrett positioniert) und einen Jamtrack, um das Gelernte mit Bandbegleitung auszuprobieren.
Jede Menge Material also für etwas fortgeschrittenere GitarristInnen, die schon Grundlagen wie die Mollpentatonik, Powerchords und Barré-Akkorde beherrschen. Gebel ist kein Blueser der alten Schule, sondern liegt stilistisch irgendwo zwischen Gary Moore, Robben Ford und leichten Fusion-Anklängen. Der Gitarrensound und die Melodik des Videos sind daher etwas moderner gehalten, was positiv ist, denn so fühlt sich sicherlich auch der Nachwuchs-Heavy-Metal-Gitarrist angesprochen, der ein paar Blueslicks in sein Spiel integrieren will. Für wenig Geld erhält man auf dieser DVD jede Menge Übungsmaterial rund um den Blues, mit dem man sich lange beschäftigen kann.
Martin Schmidt