Kreisler, Fritz

Polichinelle

Serenade für Streichtrio, bearbeitet von Fredo Jung, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2010
erschienen in: üben & musizieren 5/2010 , Seite 64

Fritz Kreisler war wie Paganini Violinvirtuose und Komponist. Bekannt sind seine zahlreichen Charakterstücke, mit denen er sich gerne in die Vergangenheit zurückwandte und oft altwienerische Klänge nostalgisch beschwor. Lange bezeichnete man diese Werke als „Salonstücke“, geeignet für Kaffeehausmusik oder Zugaben. Doch Kreislers Kompositionen sind, betrachtet man sie genauer, durchaus ernst zu nehmen. Rhythmik und Melodik verlangen vom Geiger oder der Geigerin eine ausgefeilte Bogentechnik und die hohe Kunst schattierungsreicher Artikulation.
1917 erschien im Schott-Verlag Kreislers Miniatur Polichinelle, eine Serenade, in der er an die Commedia dell’Arte erinnerte, ein Thema, das damals „in der Luft lag“: Drei Jahre später komponierte Strawinsky sein Ballett Pulcinella.
Auch Kreisler ging es in seinem kleinen Violinstück um Heiterkeit, Witz, auch Melancholie und vor allem um Leichtigkeit als Überwindung der Romantik. Das „Allegro giocoso e ritmico“ gliedert sich in einen sehr rhythmisch geprägten Anfang und in ein espressivo zu spielendes Gegenthema, in dem sich das Tempo verlangsamt. Der Pulcinella, der hier porträtiert wird, kennt ebenso geistvoll sprühenden Witz wie Melancholie.
Die 1917 veröffentlichte Serenade für Violine und Klavier legt nun Fredo Jung als Bearbeitung für Streichtrio (Violine, Viola und Violoncello) vor. Die Violinstimme beließ Jung weitgehend so, wie sie Kreisler komponiert hatte. Das Violoncello steuert einen Bass bei, der von einer Achtelbewegung geprägt wird und in dem das Pizzicato auf der zweiten Zählzeit das kontinuierliche Spiel geistvoll unterbricht. Die Bratsche unterstützt den Rhythmus und die Melodie der Violine und tritt im Espressivo-Teil mit einer eigenen elegischen Melodie hervor. Jung gelingt es, aus dem Duo Violine-Klavier ein eigenständig wirkendes Streichtrio zu gestalten: Von drei Streichinstrumenten kann die genuin geigerische Artikulation Fritz Kreislers viel eindrucksvoller verwirklicht werden als vom Klavier.
Partitur und Stimmen sind übersichtlich für das Spiel eingerichtet. Für AnfängerInnen stellen die Stricheinteilungen bei Kreisler eine ziemlich anspruchsvolle Aufgabe dar. Das Gaede-Trio gibt wertvolle Hinweise: Es schlägt sinnvolle Auf- und Abstriche vor, zeichnet Bindungen ein, die den musikalischen Charakter der betreffenden Stellen betonen, und trägt Betonungsakzente ein, die wichtige rhythmische Impulse geben.
So ist diese Ausgabe gleichermaßen für den Unterricht als auch für das Konzert geeignet. Die Musik ist technisch nicht allzu schwer, stellt aber hohe Ansprüche an die musikalische Gestaltung. Polichinelle ist unterhaltend, geistvoll und regt doch zum Nachdenken an – ein ideales Stück zum Abschluss eines Konzerts.
Franzpeter Messmer