Niessen, Anne / Katharina Lehmann

Positives Potenzial im Tandem

Ergebnisse einer Interviewstudie zur Aufgabenverteilung im ersten JeKi-Jahr

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 2/2012 , Seite 46

Im Rahmen der JeKi-Begleit­forschung untersucht das Kölner Teilprojekt des Verbundvorhabens “GeiGE” die Einschätzungen von Grundschul- und Musikschullehrenden im Tandem des ersten JeKi-Jahres. Es wurden Interviews geführt, in denen nach den Möglichkeiten individueller Förderung von Schülerinnen und Schülern im Rahmen des JeKi-Unterrichts gefragt wurde. Auf der Auswertung dieser Interviews und weiteren Gesprächen mit JeKi-Lehrenden beruht dieser Beitrag.

Wenn Lehrende vom JeKi-Unterricht des ersten Schuljahrs erzählen, schildern sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit folgendes Bild: Die Musikschullehrkraft führt Instrumente ein oder musiziert mit den Erstklässlern, während die Grundschullehrkraft sich im Hintergrund hält und allenfalls einzelne Kinder ermahnt.
Auch wenn es natürlich Ausnahmen gibt, scheint es sich dabei um ein mehr oder weniger typisches Muster zu handeln. Nun wäre gegen ein solches Szenario ja nichts einzuwenden, wenn es sinnvoll erschiene, den Intentionen des Projekts entspräche und alle Beteiligten damit zufrieden wären. Allerdings wird schon bei einem Blick auf die Homepage des Projekts „Jedem Kind ein Instrument“ deutlich, dass zumindest die Initiatoren der Maßnahme sich etwas anderes vorgestellt haben: Sie gehen davon aus, dass die gegenseitige Ergänzung der verschieden ausgebildeten Lehrkräfte „eine intensive Zusammenarbeit und eine optimale Unterrichtsbetreuung der Kinder“ ermöglicht.1
Um die zu verwirklichen, sollen sich die JeKi-Lehrenden „für den Tandemunterricht über ihre unterschiedlichen Aufgaben in den Stunden miteinander abstimmen“.2 Geschieht eine solche Abstimmung im JeKi-Tandem? Wie erleben die Beteiligten selbst die Zusammenarbeit?
Die erste wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist die nach den Erwartungen, mit denen die Lehrenden der Grundschule und der Musikschule in das Projekt JeKi gestartet sind. Und erwartet wurde durchaus Unterschiedliches: Manche Lehrenden wollten sich nur in den nötigsten Aspekten abstimmen, manche erhofften sich darüber hinaus ein wenig gegenseitige Unterstützung und einige wollten den Unterricht am liebsten gemeinsam planen und durchführen.
Fragt man nun die Lehrenden beider Professionen nach dem, was sie bislang im Tandem erlebt haben, klingt insgesamt viel Enttäuschung durch. In vielen Fällen berichten die Grundschullehrenden von einem Widerstreit unterschiedlichster Empfindungen. Zwar beobachten sie „fantasievollen Unterricht“, den sie ihrer eigenen Einschätzung nach als häufig fachfremde Lehrende selbst so nicht realisieren könnten, aber sie bemerken auch, dass einige Musikschullehrende den Umgang mit großen Gruppen von Schülerinnen und Schülern nicht gewohnt sind. Während die Grundschullehrkräfte gerade im ersten Schuljahr viel Zeit auf die Einübung von Klassenregeln verwenden, vermissen sie dieses Bestreben bei den Musikschullehrenden. Das führt bei den Grundschullehrenden gelegentlich zu dem Wunsch, direkt in den JeKi-Unterricht einzugreifen. Auf der anderen Seite fürchten sie – durchaus zu Recht –, dass ein solches Eingreifen die Musikschullehrkraft stark irritieren würde. So kommt es, dass sie den Unterricht mit ausgesprochen gemischten Gefühlen verfolgen.
Die Musikschullehrkräfte wiederum spüren die manchmal distanzierte, gelegentlich auch missbilligende Haltung der Grundschullehrenden, was sie wiederum verunsichert: „Wenn die Tandemlehrerin […] nur abweisend dasitzt […], weiß [man] nicht: Werden die Kinder observiert oder ich?“ Ein wichtiger Grund für solche Spannungen liegt – das wurde in den Gesprächen deutlich – in fehlenden Absprachen. Für die Lösung dieses Problems würde vor allem eines benötigt: Zeit. Zeit für Absprachen ist aber im Rahmen von JeKi nicht vorgesehen; zumindest wird sie nicht bezahlt. Mit dem Ziel, die Verständigung der JeKi-Lehrkräfte zu unterstützen, haben wir versucht, Aufschluss über folgende Fragen zu gewinnen:
1. Welche Aufgaben fallen im JeKi-Unterricht des ersten Schuljahres überhaupt an?
2. Welche Rahmenbedingungen beeinflussen die Aufgabenverteilung im Tandem des ersten JeKi-Jahres?

1 www.jedemkind.de/programm/informationen/grundlagen.php (Stand: 4.8.2011).
2 www.jedemkind.de/programm/haeufige_fragen/haeufige_fragen.php (Stand: 4.8.2011).

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2012.