Sobirey, Wolfhagen

Rein und raus

Welche Voraussetzungen braucht JeKi zum Gelingen?

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 2/2012 , Seite 22

Die Schulzeitverkürzung mit ihren in den Nachmittag hinein verlängerten Schultagen raubt den Schülerinnen und Schülern Zeit zum Instrumental­unterricht zu gehen oder zu üben. Die Leiter der Schulensembles weisen längst darauf hin, dass Teilnehmer­zahlen und Leistungen sinken. Bisher gelingt es kaum, qualifizierten Instrumentalunterricht mit in den Schulalltag hineinzunehmen. Doch JeKi war eine Kehrtwende der Politik. Endlich war sie bereit, für die musika­lische Bildung auch “frisches Geld” in die Hand zu nehmen. JeKi wurde zur Hoffnung: Einiges könnte nun besser ­werden. Doch was wären die Gelingensbedingungen?

Wir brauchen zunächst ein abgestimmtes Gesamtkonzept musikalischer Bildung und Ausbildung. JeKi muss im Gesamtfeld musikalischer Bildung und Ausbildung positioniert werden. Positioniert im Zusammenspiel von Elternhaus, Kita, Schule, Musikschule und Musikstudium. Es darf nicht allein stehen. Wir brauchen ein Gesamtkonzept, damit Lücken gefüllt werden, damit die musikalische Bildung gesteigert wird, damit der Grad der Musikmotivation und der musikalischen Bildung weniger vom Elternhaus abhängt. Damit das Nebeneinander von schulischer und außerschulischer musikalischer Bildung und das Nebeneinander von Vormittags- und Nachmittagsbildung überwunden wird.
Wir brauchen bei G8 und Ganztagsschule wieder mehr Zeitfenster für den außerschu­lischen Musikunterricht. Wir brauchen den Einzelunterricht im Alltag der allgemein bildenden Schule, auch morgens ab 8 Uhr. Wie das? Der Stundenplan der Instrumentallehrkraft rotiert: In dieser Woche hat Oliver seinen Klarinettenunterricht in der ersten Stunde, in der nächsten Woche in der zweiten Stunde und so weiter. Großräumig versäumt er in Deutsch oder Mathe oder Englisch eine Unterrichtsstunde. Untersuchungen belegen, dass diese SchülerInnen keine Leistungsabfälle zeigen, in den Sprachen sind sie sogar erfolgreicher. Ausländische Schulen machen uns das erfolgreich vor.
Wir brauchen den Erhalt der außerschulischen Bildungsorte. Wir brauchen den Einbezug außerschulischer Lehrkräfte in die Schule einerseits, andererseits das Hinausgehen der SchülerInnen zu den außerschulischen Lernorten. „Rein und raus“, denn „draußen“ wird oft anders gelernt. Kinder und Jugend­liche gehen oft dorthin, weil sie etwas besonders gern machen oder besonders gut können. Das ergibt eine gute Lernatmosphäre.
Bei Kooperationen von Schule und außerschulischen Anbietern musikalischer Bildung sollten gemeinsame Konzepte entstehen, abgestimmte Konzepte, damit Schule und außerschulische Angebote nicht additiv auf­einander aufbauen – einer vormittags, der andere nachmittags und man kennt sich kaum –, sondern verzahnt agieren.
Schule muss sich für „die anderen“ auch interessieren, nicht nur Zeiten und Kurse besetzen, Schüler beschäftigen. Dazu gehören selbstverständlich angemessen sichere Beschäftigungsbedingungen für die außerschulischen Kräfte und angemessene Vergütungen. So geschieht Qualitätssicherung. Die öffentlichen Musikschulen reagieren längst. Sie unterstützen verstärkt die musikalische Allgemeinbildung in Kitas und Schulen und den schulischen Instrumentalunterricht. Sie unterrichten „drinnen und draußen“, in den Schulen und in der Musikschule.

Welche Ziele hat JeKi?

Aber es gibt Diskussionspunkte. Der Versuch, das Instrumentalspiel mit JeKi auszuweiten, zu demokratisieren, darf unser Leistungsdefizit nicht weiter vergrößern. Die verstärkte Breitenarbeit, die in aller Regel ein Unterricht in Gruppen ist, und die verlängerten Schultage dürfen nicht zu Lasten der Individualförderung, der Individualbildung gehen. Einzelunterricht, Spezialisierung, Talent- und Begabtenförderung, diese Kernaufgaben der Musikschule und der selbstständigen Inst­rumentallehrkraft dürfen nicht geschwächt werden, weil SchülerInnen nicht genug Zeit dafür haben, weil Musikschulkräfte immer mehr Breitenarbeit leisten und deswegen weniger Fortgeschrittenenförderung, weniger Einzelunterricht erteilen können. Mehr Musikschulstunden wird es zurzeit kaum geben. Es wird nur mit mehr Differenzierung gehen, mit mehr individualisiertem Unterricht.
Wir brauchen Zielklarheit, ob es bei JeKi um Instrumente geht oder um Persönlichkeitsbildung. Oder um beides? JeKi soll keine Berufsorchestermusiker heranziehen, so Hortensia Völckers, künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes. Warum denn nicht? Soll unsere Instrumentalausbildung so bleiben, wie sie ist? Wenn die Lehrkräfte gut ausgebildet werden und die neuen Aufgaben motiviert annehmen, kann viel erreicht werden. Die meisten Kinder der JeKi-Gruppen profitieren sicher „nur“ im Bereich der Persönlichkeitsbildung. Da kann Musik und Inst­rumentalspiel Großartiges leisten. Viel mehr Kinder als bisher wird man außerdem für ein Leben mit Musik begeistern. Einige mehr aber sollten schon beim Instrumentalspiel bleiben. In Nordrhein-Westfalen haben laut JeKi-Stiftung im Schnitt ca. 60 Prozent der Kinder nach vier Jahren JeKi noch das Instrument in der Hand.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2012.