Gershwin, George
Rhapsody in Blue
arrangiert für Bläser-Quintett
Es gibt Kompositionen, denen ein unverwechselbares Klangidiom zueigen ist, das auch die Substanz der Komposition ausmacht. Dies dürfte auch auf die “Rhapsody in Blue” von George Gershwin zutreffen, die zunächst für Klavier geschrieben wurde, dann aber in der Orchesterfassung von Fred Grofé ihren Siegeszug begann und in dieser Fassung dem Hörer so prägend im Gedächtnis bleibt, dass man auch bei der Klavierfassung den großen Orchesterklang quasi mithört.
Ernst-Thilo Kalke hat die Orchesterfassung der “Rhapsody in Blue” nun auf ein Quintett mit Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott reduziert, um, wie er im Vorwort schreibt, „dieses großartige Werk auch für kleinere Musikgruppen spielbar zu machen. Das Holzbläserquintett schien mir wegen seiner Klangfarbenvielfalt besonders geeignet zu sein.“ Damit hat Kalke aber nur eine Seite der Komposition berücksichtigt, denn den wesentlichen Ausdrucksgehalt kann man mit einem Bläser-Quintett nicht einfangen. Gershwins Komposition lebt auch von akkordischen Klangballungen und vielen klangfarblichen Effekten, die durch die Reduktion verloren gehen.
Somit stellt sich die grundsätzliche Frage nach dem Sinn dieser und auch vieler anderer Bearbeitungen auf dem aktuellen Notenmarkt. Dank hervorragender Musik-Software ist es heute sehr einfach, Noten zu erstellen. Alle möglichen Arrangements sprießen aus dem Computer, ohne dass immer über die ästhetischen Qualitäten nachgedacht wird. Bearbeitungen haben in vielen Fällen einen pädagogischen Nutzen, wenn sie dazu beitragen, Werke besser kennen zu lernen und Appetit auf das Original zu machen.
Doch bei der vorliegenden Ausgabe bleiben Zweifel am Wert, zumal das Einstudieren der stellenweise sehr anspruchsvollen Einzelstimmen nicht im entsprechenden Verhältnis zum klanglichen Gesamtergebnis steht, das man kaum in einem Konzert, allenfalls bei einer sommerlichen Serenade hören möchte. Schließlich gibt es auch keinen Mangel an originaler Bläserquintett-Literatur verschiedenster Stilrichtungen.
Die Ausgabe enthält eine gut lesbare Partitur und Stimmen, die allerdings einige ungünstige Wendestellen aufweisen und optisch nicht ausgewogen gestaltet sind.
Heribert Haase