Grillo, Rolf

Rhythmusspiele der Welt

Musikalische Spielmodelle für die Rhythmusarbeit in Gruppen, mit DVD und CD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Helbling, Rum/Innsbruck 2011
erschienen in: üben & musizieren 5/2011 , Seite 57

Es ist schwierig, ein Buch, dessen musikpädagogische Zielsetzungen in kulturelle Kontexte eingebettet werden, ausgewogen zu besprechen. Die Übungen, die sich in diesem aufwändig gestalteten Buch von Rolf Grillo dem spielerischen Umgang mit Rhythmus widmen, sind zum Teil sehr ansprechend. Die Gliederung in fünf Kapitel mit unterschiedlichen bewegungsorientierten Zugängen sowie Materialien und Instrumente einbeziehenden Spielmodellen überzeugt. Die Spielbeschreibungen, ergänzt durch Notenbeispiele und Fotos, schildern den Ablauf gut nachvollziehbar. Dabei sind die Schwierigkeitsgrade breit ge­fächert; so ist für jede Lerngruppe etwas dabei. Allerdings ruft die Ausführung der Rhythmusspiele auf der beigelegten DVD in ihrer Ästhetik einen recht künstlichen Eindruck hervor und will in ihrer inszenierten Natürlichkeit nicht recht überzeugen.
Warum aber verweist der Autor darauf (zumal mit dem höchst problematischen Wort „Kulturkreis“), die vorliegenden Beispiele stammten aus anderen kulturellen Kontexten? Meine Kritik möchte ich an den japanischen Beispielen verdeutlichen: Das Spannende und das eigentlich Spielerische am Lied omochi tsuki (S. 44 ff.) ist doch, mit den Händen nicht zwischen die des Partners zu kommen. Es gibt viele komplexe Varianten davon in Japan, die über die Rhythmisierung die Körperkoordination mit einer Spur Aufregung oder Furcht steuern. Im Prinzip also ein schönes Beispiel. Doch im Buch und auf der DVD wird eine den Vorbildern lediglich entlehnte (sic!) Version dargeboten, die ihrer eigentlichen Intention entleert ist.
Auch das Spiellied musunde hiraite (S. 67 f.) kennt im Mittelteil nicht nur eine andere Melodie (abgesehen von der ebenfalls nur hinzugefügten Terzierung), sondern es fehlt der für den Sinn des Spiels so wichtige Zusatz („o hi sama kira, kira tettemasu“). Mehr noch, der Kern des Spielliedes, nämlich die auf dieser Altersstufe so wichtige Ergänzung der nach oben weisenden Hände, die von Strophe zu Strophe dann nach unten, nach rechts usw. zeigen, fehlt! Das Beispiel ist also ebenfalls lediglich entlehnt; in der wissenschaftlichen Literatur wird dies als (eurozentristische) Vereinnahmung bezeichnet.
Aus Sicht inter-/transkultureller Musikpädagogik reiht das Buch sich in die höchst problematischen Beispiele von (pädagogischer) Ethnifizierung ein, die Mitteleuropa seit Mitte des 18. Jahrhunderts kennt. Das Buch kann nur dann empfohlen werden, wenn man wachen Verstandes die dargebotenen Beispiele als methodisch und didaktisch aufbereitete Entlehnungen versteht. Es ist ein Material, das Beispiele anderen musikalischen Praxen entnimmt und verändert. Damit wären es tatsächlich „Spielmodelle“, würde dieser Anspruch nicht durch die Aufmachung visuell deutlich ethnifiziert.
Bernd Clausen