Bonis, Mélanie

Scènes enfantines op. 92 / Album pour les tout-petits op. 103

für Klavier, hg. mit einem Vorwort und Hinweisen für den Unterricht von Melanie Spanswick

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2025
erschienen in: üben & musizieren 5/2025 , Seite 61

Die Komponistin Mélanie Hélène Bonis (1858-1937) studierte bei César Franck am Pariser Konservatorium Klavier und Orgel. In der Kompositionsklasse von Ernest Guiraud war sie gemeinsam mit so namhaften Komponisten wie Debussy und Pierné. Ihr Kompositionsstil ist ganz in der Romantik verankert, zudem schimmern impressionistische Klangfarben durch.
Ihre beiden Hefte Scènes enfantines und Album pour les tout-petits komponierte sie in den Jahren 1912/13. Nicht nur in den Titeln, sondern auch in der Klanglichkeit, der guten Beherrschung einer ausgeglichenen Satztechnik und der durchweg leichten Spielbarkeit knüpft die Komponistin an die bekannten, fast gleichnamigen Werke Robert Schumanns an. Das „Kompliment der Großmutter“ aus dem Album pour les tout-petits klingt wie eine Erinnerung an Schumanns „Melodie“ und „Trällerliedchen“ aus seinem Album für die Jugend.
Auffallend bei den 20 klangschönen Miniaturen ist, dass die Komponistin gerne die Hände abwechselnd und ineinander greifend spielen lässt. Das sorgt schon beim einstimmigen „Der Kreisel“ für eine belebte und durchgängige Rhythmik. Bei der „Wut“ wird diese Spieltechnik zur Zweistimmigkeit erweitert und gewürzt mit Synkopen und einigen Dissonanzen. Hübsch klingt der programmatisch angelegte „Floh“, bei dem Spannungsklänge durch Fermaten gehalten werden. „Süße Freundin“ kommt dem Klangkolorit des typischen französischen Charakterstücks sehr nahe. Bei „Die Taufe“ stört allerdings das trotz Harmoniewechsel gehaltene Pedal. Ansonsten ist die Ausgabe von Herausgeberin Melanie Spanswick bestens für den Unterricht geeignet. Das Heft ist zudem mit guten Fingersätzen versehen. Im Anhang gibt es ausführliche Hinweise zu jeder einzelnen Charakterminiatur.
Bis zur unteren Mittelstufe steigt der Schwierigkeitsgrad bei den acht Scènes enfantines an. Im Gegensatz zu Schumanns Kinderszenen sind dies aber nicht Charakterstücke über, sondern für Kinder und Jugendliche. Nach dem eröffnenden „Morgenständchen“ folgt ein „Fröhliches Erwachen“. Das Stück ist melodisch sehr ansprechend und bietet überraschende harmonische Wendungen. Ganz besonders gelungen ist „Bruder Jakob“. Das bekannte Lied wird mehrfach verarbeitet und variiert. Hier gibt es auf engstem Raum mannigfaltige Variationstechniken, geschickt eingebettet in einen programmatischen Kontext, der im Notentext durch kurze Kommentare vermerkt ist.
Das sehr rasch auszuführende „Versteckspiel“ trainiert Fünftongruppen und verlangt eine gute Konzentration bei der Gestaltung der Pausen. Bei „Baby schläft ein“ klingt in der lyrischen Tonsprache der Kompositionslehrer der Komponistin mit an. Ein fröhliches „Carillon“ beendet diese schöne und ausgezeichnet editierte Sammlung.
Christoph J. Keller

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