Bührig, Dieter
Schattengold
Kriminalroman
Dieter Bührig, von Beruf Elektrotechniker, Tonmeister und Musikpädagoge, beginnt seinen Roman mit einer umfangreichen historischen, geografischen, soziologischen, politischen und kunstgeschichtlichen Beschreibung seiner Wahlheimatstadt Lübeck, mit Schwerpunkt auf Musikhochschule und Marionettenmuseum. Dort geschehen einige der zahllosen (fünf?, sechs?, sieben?) Morde dieses Krimis – was sich anbietet, da mittelalterliche Geheimgänge diese Gebäude miteinander verbinden und der Mörder stets spurlos verschwinden kann. Dieses Zuviel an Lokalkolorit geht womöglich zu Lasten eines Zuwenig der Entwicklung der Enthüllungsgeschichte.
Als ProtagonistInnen erschafft Bührig drei Kriminalbeamte von relativ klischeehaftem Zuschnitt: Inspektor Kroll (leicht schrullig, „in die Jahre gekommen“), Kriminalassistent Hopfinger (karrieresüchtig, modebewusst) und Frau Grell, die Sekretärin, die Fernsehkrimis liebt und promisk veranlagt ist. Hinzu kommen weitere Hauptpersonen, die weit mehr Raum beanspruchen als das Kripo-Trio, sodass man nicht so recht weiß, bei welcher Person der rote Handlungsfaden zu finden ist, zumal etliche Figuren recht rasch ermordet werden, kaum hat man sie kennen gelernt. Ein Zuviel also auch an Personen.
Bührig arbeitet an einer Musikhochschule und die Abläufe dort sind ihm vertraut. Insofern liegt es nahe, den Plot dort anzusiedeln. Neben der Musikhochschule gibt es die Handlungsorte Marienkirche, eine Goldschmiede, das schon erwähnte Marionettenmuseum, die Insel Madagaskar etc. – zu viel!
Was den Plot selbst betrifft: Kroll tappt im Dunkeln, was Morde und Schmuckdiebstähle betrifft, ein Goldschmied und Gattin nebst cineastischer, tagebuchschreibender Zofe (!) treiben Undurchschaubares – und wenn man noch nicht so recht verdaut hat, dass zwei Protagonistinnen recht unvermittelt eine homoerotische Beziehung eingehen, muss man akzeptieren, dass der Mörder kein Mensch, sondern…
Nun wird es doch arg fantastisch. Da scheinen dem Elektrotechniker und Tonmeister die Gäule durchgegangen zu sein. Wenn außen Kriminalroman draufsteht, möchte man innen keinen Fantasy-Roman vorfinden, auch wenn der Klappentext ihn als surrealistischen Krimi um Raum, Zeit und Musik beschreibt. Nein, Schluss! Apropos Schluss: Da verschwinden plötzlich nahezu alle Personen, die vielleicht der Mörder oder die Mörderin hätte gewesen sein können, aber die ausgesetzte Königstochter findet immerhin ihre Mutter wieder!
Ein ausgesprochener Lübeck-Liebhaber, der bereit ist, sich auf die Reise durch Jahrhunderte und durch Erzählstränge zu begeben und den ein sprachlich-stilistisches Vielerlei nicht stört, wird womöglich seine Freude an diesem Debüt haben.
Andrea Raab