Lindemann, Stefan

Seat oder Porsche?

Musikschule zwischen Dienstleister und ­Bildungseinrichtung

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 2/2012 , Seite 49

Wie sieht die Zukunft der Musik­schulen aus? Wird es qualitativ unterschiedliche Angebote für ­verschiedene soziale Bevölkerungs­schichten geben? Wir stellen die Thesen von Stefan Lindemann zur Diskussion.

In Zeiten knapper öffentlicher Haushalte stehen gerade die Musikschulen hinsichtlich ihrer Zuschüsse unter einem zunehmenden Rechtfertigungszwang. Bestand die bisherige Zielsetzung u. a. darin, dass man Kindern und Jugendlichen verstärkt den Zugang zur Musik erleichtern wollte, so wird eine Musikschule heute immer stärker unter dem Gesichtspunkt der Effizienz betrachtet. Selbst bei einer solchen Betrachtungsweise hätte der musikalisch-pädagogische Aspekt noch den Vorrang. Immer öfter jedoch wird diese Reihenfolge umgedreht, das heißt der Finanzrahmen wird als Fixpunkt gesetzt. Die Musikschule muss sich dann überlegen, welche Ziele sie mit welchen Mitteln innerhalb dieses Rahmens realisieren möchte bzw. überhaupt kann. Die Generalüberschrift dieses Vorgehens lautet „Budgetierung“.
In dieser Debatte tauchen zwei Begriffe immer wieder auf: erstens Dienstleistung, zweitens Bildungsgut bzw. -einrichtung. Von den Marktapologeten wird eine Musikschule als kultureller Dienstleister verstanden, der sich an den Kundenwünschen orientiert und versucht, diese zu befriedigen. Die Vertreter der Bildungsorientierung hingegen sehen die Musikschule als Einrichtung zur Wahrung und Vermittlung musikalischer Kultur in jeder Form sowie grundlegender pädagogischer und persönlichkeitsbildender Effekte bei den nachwachsenden Generationen. Beide Positionen haben ihre nachvollziehbaren Begründungsansätze, beide neigen jedoch auch zur Verabsolutierung ihrer Maßstäbe, sprich zur prinzipientreuen Ideologisierung.

Musikschule als ­Dienstleister

Anbieter von Dienstleistungen orientieren sich an den Wünschen potenzieller Kunden. Viele Stadtkämmerer und Kommunalpolitiker berufen sich auf den angeblichen Dienstleistungscharakter einer Musikschule. Eine Folge ist die Reduktion einer solchen Einrichtung auf eine nackte Kosten-Nutzen-Rechnung unter Berücksichtigung ihres populistischen Wirkungsgrades: In der Betrachtungsweise der Politiker bedeutet ein möglichst großer Schülerstamm (samt Eltern) eine möglichst große Gruppe potenzieller Wähler, denen die gezahlten Zuschüsse zugute kommen.
Um eine möglichst große potenzielle Nutzermenge für sich zu gewinnen, müssen die Musikschulen die inhaltlichen und formalen Aspekte so gestalten, dass möglichst viele aus der Bevölkerung sich dafür interessieren. Einerseits bedeutet dies, eine möglichst große Angebotsvielfalt zu realisieren (vom Säugling bis zum Rentner, vom Einzel- bis zum Großgruppenunterricht, vom Barock bis zum Rock, Angebote über den ganzen Tag, in der Woche und am Wochenende, eventuell auch Spezialangebote in den Ferien usw.), andererseits hinsichtlich der Kostenentwicklung (und bei einer Musikschule bedeuten Kosten praktisch immer Personalkosten) eine größtmögliche Effizienz zu bewerkstelligen.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2012.