Hübbenet, Hannah von
Sei ein Filmkomponist!
Wie Filmmusik in den Instrumentalunterricht einbezogen werden kann
Die Beschäftigung mit Filmmusik im Instrumentalunterricht ist für uns InstrumentalpädagogInnen unabdingbar. Denn Filme sind ein Bestandteil der Lebenswelt unserer SchülerInnen und daraus resultierend auch die damit verknüpfte Klangwelt, die Filmmusik.
Häufig regen die SchülerInnen selbst zur Beschäftigung mit Filmmusik im Unterricht an. Wenn wir uns der Auseinandersetzung stellen und das kreative Potenzial erkennen, welches über das reine Nachspielen von Amelie, Pirates of the Carribean, Eiskönigin und Co. hinausgeht, werden wir einen für beide Seiten äußerst anregenden und ergiebigen Unterricht gestalten können.
Das Entdecken von Filmmusik kann abhängig von Alter und Vorlieben auf unterschiedliche Arten geschehen: Bereits sehr junge SchülerInnen haben Spaß beim Erforschen und Experimentieren mit filmmusikalischen Besonderheiten (z. B. können tiefe Töne bedrohlich klingen, schnelle Tonfolgen suggerieren schnelle Bewegungen, eine Dissonanz sorgt für Spannung usw.). Instrumentalschulen greifen dieses elementare Interesse häufig in Form von Klanggeschichten auf, in denen Kinder kleine Tonsequenzen zu Bildern erfinden oder auch bestehende Sequenzen Bildern zuordnen und sie zu einer Geschichte zusammenfügen können. Auf diese Weise kann es spielerisch gelingen, sie an das Komponieren zu bewegten Bildern heranzuführen.
Sobald Kinder etwas älter sind, sie ins Kino gehen und Filme schauen, wächst auch ihr Interesse an der Musik, die sie dort hören. Stücke oder/und Songs aus Filmen werden oft von den SchülerInnen selbst in den Unterricht mitgebracht. Als schnelle, unkomplizierte und oft kostenlose Quelle dient hier häufig das Internet – es gilt allerdings zu überprüfen, welche Noten wirklich verwendet werden dürfen und sollten.
Was macht die besondere Beziehung von SchülerInnen zur Filmmusik aus?
Die Gründe, weswegen SchülerInnen sich im Unterricht gern Filmmusik zuwenden, sind vielfältig. Ein nicht unwesentlicher Antrieb ist, dass diese Musik ein Teil ihrer privaten Lebenswelt ist. Dies lässt sich von der Musik von Bach, Bartók und Co. nicht uneingeschränkt behaupten. Filmmusik entdecken und konsumieren die SchülerInnen selbstständig und in eigener Regie beim Schauen von Filmen und beim Anhören des Soundtracks. Sie verknüpfen mit der Musik eigene Emotionen, sei es durch die Identifikation mit einem Filmcharakter oder auch durch die Verbindung der Bilder bzw. der Geschichte mit eigenen Gefühlswelten.
Ein gutes Beispiel hierfür ist Harry Potter. In den Verfilmungen trug nicht zuletzt die Musik von John Williams einen großen Teil dazu bei, die Zuschauer tief und nachhaltig in den Sog einer magischen Welt zu ziehen. Häufiger noch als in der klassischen Literatur finden sie in der Filmmusik eingängige Melodien, die ihnen eben auch aufgrund der emotionalen Verknüpfung schnell im Ohr hängen bleiben. Bei der Konsumierung von Filmmusik befinden sich die SchülerInnen oft nicht allein, sondern sie erleben sie in der Gemeinschaft mit Klassenkameraden, Familie oder Freunden. Das ermöglicht ihnen einen unmittelbaren Austausch ihrer Eindrücke. Häufig kommt es sogar vor, dass SchülerInnen im gleichen Alter zur gleichen Zeit das gleiche Stück spielen wollen und sich daraus bei besonders beliebten Titeln eine Art Wettbewerbsdynamik ergibt: Sie spielen sich gegenseitig vor, spielen zusammen, vergleichen den jeweiligen Leistungsstand.
Auch ist entscheidend, dass Filmmusik keiner bestimmten Musikgattung zuzuordnen ist. Sie beinhaltet alle Genres und kann neben einem klassischen Orchesterscore auch Popmusik, Jazz, Weltmusik usw. umfassen. Hierdurch vermag sie viele verschiedene Geschmäcker anzusprechen.
Welche unterschiedlichen Aspekte bietet die Arbeit mit Filmmusik?
Es bietet sich an, Filmmusik im Instrumentalunterricht in einem weiteren Kontext zu betrachten: Welche Eigenschaften machen Musik überhaupt zu einer Filmmusik? Welche Arten von Filmmusik gibt es? Was sind Prozesse beim Entstehen einer Filmmusik? Hieraus folgen erste Erkenntnisse. Jede Form von Musik kann Filmmusik sein: sei es ein Orchesterstück, eine E-Gitarre oder eine rückwärts abgespielte und mit großem Hall versehene Aufnahme von Glockenläuten. Im Film ist Musik die dritte Tonebene, neben der Sprach- und Geräuschebene. Als erste Orientierung unterscheiden wir zwei Formen von Filmmusik:
1. Die Score-Musik, welche als dramaturgische Filmmusik komponiert ist, das Geschehen begleitet und nur vom Zuschauer wahrgenommen wird (auch als Off- oder nicht-diegetische Musik bezeichnet). Beispiel: In Steven Spielbergs Der weiße Hai verstärkt die Musik von John Williams mit dem markanten Halbton in den Kontrabässen die herrschende Anspannung beim Auftauchen des Haies – für die Figuren im Film ist sie jedoch nicht hörbar. Score-Musik kann unterschiedliche Positionen gegenüber dem Bild einnehmen, unter anderem das Geschehen illustrieren, verstärken oder einen Kontrapunkt setzen.
2. Die Source-Musik, welche ihre Quelle im Bild hat und auch in der Handlung zu hören ist (auch als On- oder diegetische Musik bezeichnet). Beispiel: Täglich um sechs Uhr morgens erschallt aus Bill Murrays Radiowecker der Song I got you babe von Sonny and Cher in dem Film Und täglich grüßt das Murmeltier. Der Song hat seine Quelle im Bild (Radiowecker), wird sowohl vom Protagonisten wie auch vom Zuschauer wahrgenommen und ist somit Teil der Handlung.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2016.