Dare, Marie
Serenade & Valse
für Violoncello und Klavier, hg. mit einem Vorwort und Hinweisen für den Unterricht von Anna Catharina Nimczik
Eine Meisterin ihres Fachs, genauer: ihrer Fächer, denn Marie Dare zeichnete sich durch Vielseitigkeit aus. 1902 in Schottland geboren, studierte sie an der Londoner Guildhall School; zu ihren Cellolehrern zählte William Henry Squire. Zugleich erhielt sie Kompositionsunterricht bei Benjamin Dale und vervollkommnete nach dem Ersten Weltkrieg ihre cellistische Ausbildung in Paris bei Paul Bazelaire. Sie trat als Solistin und Mitglied eines Klaviertrios auf und in einem Konzert in der Londoner Aeolian Hall, das ihren Kompositionen gewidmet war, konnte man sie als Cellistin und Pianistin hören.
Während des Zweiten Weltkriegs bekleidete Marie Dare den Rang eines Unteroffiziers in der Royal Navy, doch selbst in dieser Zeit setzte sie ihre Konzerttätigkeit fort. Später gehörte sie zum Kollegium der renommierten Royal Scottish Academy of Music and Drama, wirkte als Orchester- und Kammermusikerin, komponierte ein umfangreiches Œuvre, das auch Chor- und Orchesterpartituren umfasst, und coachte „nebenbei“ noch Kontrabass-SchülerInnen in Jugendorchestern. Kurz: Marie Dare verkörperte den Typus eines britischen Allround-Musikers, wie wir ihn noch heute auf der Insel antreffen und gelegentlich mit einem Anflug von Neid bewundern.
Bereits im 2016 erschienenen Sammelband Arietta (vgl. Rezension in Ausgabe 4/2016) begegneten wir einigen attraktiven Piècen aus der Feder der produktiven Komponistin. Mit dem vorliegenden Band setzt Schott seine editorischen Aktivitäten zu Marie Dare fort. Ob die e-Moll-Serenade und die in G-Dur stehende Valse als Mini-Suite konzipiert waren, wird zwar nicht ersichtlich, doch eignen sich die beiden charmanten Stücke ausgezeichnet für eine solche Vortragsfolge. Freilich kann sowohl die melancholische Serenade als auch der schwungvolle Walzer für sich bestehen: Die einnehmende Melodik der Stücke ist dem Cello auf den Leib geschrieben, darüber hinaus jedoch zeigt sich ihre kompositorische Originalität in den ideen- und modulationsreichen Klavierparts. Letztere sind nicht übermäßig schwierig, verlangen aber durchaus nach professionellen Pianisten-Händen, wohingegen die Celloparts – gemäß Level 1 der diesbezüglich genau durchorganisierten britischen Streicherausbildung – samt und sonders in der 1. Lage und mithin für SchülerInnen im erweiterten Anfängerstadium realisierbar sind.
Herausgeberin Anna Catharina Nimczik hat dieser Ausgabe umfangreiche Hinweise für den Unterricht hinzugefügt. Alles, was dort zu lesen ist, verrät Sachverstand und pädagogisches Einfühlungsvermögen. Gleichwohl: Überfrachten wir die wunderbar schlichten Stücke nicht ein wenig damit? Sollte man, im „englischen Sinne“ gedacht, avancierte Fingersätze, Überlegungen zu Vibrato etc. nicht eher den Levels 2 bis 5 zukommen lassen? Anyway: Wir freuen uns auf weitere Schätze aus den Archiven zu Marie Dare!
Gerhard Anders