Harris, Paul
Simultanes Lernen
Das Erfolgsrezept für nachhaltig motiviertes Lernen und Lehren in der Musikpädagogik
Mit Simultanem Lernen tritt ein neuer Begriff in die Instrumentalpädagogik, der nahelegt, dass hiermit auch ein neues Konzept oder eine neue Theorie instrumentalen Lernens eingeführt werden soll. Das ist aber nicht unbedingt der Fall; denn die hier vermittelten Grundlagen entsprechen durchaus einem heute weitgehend etablierten Unterrichtsverständnis.
Dennoch enthält dieses „Erfolgsrezept“ viele beherzigenswerte praktische Hinweise zum Umgang mit SchülerInnen, zum Üben, zur Unterrichtplanung und flexiblen Unterrichtsgestaltung. Das Modell orientiert sich dabei an dem formal nach grades und levels strukturierten britischen System. Aber die Abkehr vom Unterrichten bloß richtiger Töne soll wieder die Freude an der Musik in ihr Recht setzen, indem die Vielfalt der musikalischen und pädagogischen Aspekte miteinander verbunden werden, um so einen „ganzheitlichen, abgerundeten Musiker“ hervorzubringen. Betont wird dabei das anfängliche Lernen ohne Noten, die Bedeutung der Improvisation, die Fokussierung auf selbst angeleitete Formen des Übens sowie eine Vielfalt verschiedener Lernaktivitäten, die von Anfang an darauf zielen, dass es um musikalische Erfahrungen geht.
Ob dazu allerdings der Begriff des Simultanen Lernens taugt, mag dahingestellt bleiben. Denn es geht um die Vernetzung der Lerninhalte und Aktivitäten, nicht um deren Gleichzeitigkeit. Aber das Logo „Simultanes Lernen“ wird geradezu werbestrategisch eingeführt und erscheint fast auf jeder Seite in diesem kurzen Einführungstext und verspricht Erfolge, die alle – Lehrer, Schüler, Eltern – glücklich und zufrieden machen. Das Konzept schließt alles ein, was gut und trendig ist: Aspekte des Achtsamkeitstrainings, die Orientierung am mind mapping, aktuelle Lernprinzipien wie Eigenaktivität, energiegeladene Stimmung und natürlich Ganzheitlichkeit.
Beim Lesen erfahren wir, dass Simultanes Lernen positiv, integrativ, pro-aktiv, vernetzt, nachhaltig und kollaborativ sei. Dabei wird nie so ganz klar, ob es sich dabei nun um eine Methode (eher nicht), eine neue Theorie (philosophy of education, S. 8), eine neue Form des Unterrichtens (S. 72), eine Geisteshaltung (S. 8) bzw. eine Lebenseinstellung (S. 82) handelt. Man könnte schlicht sagen, es geht um eine Form der Unterrichtsgestaltung, die modernen Forderungen musikalischen Lernens entspricht. Die konkreten Angaben sind anregend und machen die Lektüre durchaus lohnend.
Der erzählende, lockere Stil mit Aufgaben und Arbeitsvorlagen erleichtert die Lektüre, wäre da nicht dieser penetrante Werbestil, bei dem auch nur auf eigene Arbeiten des Autors verwiesen wird. Das beeinträchtigt das Erscheinungsbild dieses Konzepts, das sich wie eine Werbebroschüre liest: Folge den Prinzipien des Simultanen Lernens und du wirst ein glücklicher Mensch und guter Lehrer – satisfaction guaranteed.
Wilfried Gruhn