Bernius, Volker (Hg.)

Sinfonie des Lebens

Funkkolleg Musik. Die gesendeten Beiträge

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2012
erschienen in: üben & musizieren 5/2012 , Seite 58

Sinfonie des Lebens steht auf dem Umschlag, was zunächst eher romanhaft Erzählendes erwarten lässt und kein Sachbuch. Entstanden ist der vorliegende Band als schriftliche Dokumentation einer Reihe des Hessischen Rundfunks, die sich im „Funkkolleg Musik“ zwischen Herbst 2011 und Frühjahr 2012 in 26 Radiosendungen der Tonkunst zuwandte – freilich nicht unter dem Aspekt ihrer Analyse, sondern mit Blick auf ihren Gebrauch und ihre Funk­tion im Alltag.
Fragestellungen der Systematischen Musikwissenschaft folgend geraten solch unscharfe Begriffe wie „Musikalität“, „Musikgeschmack“ und „Musikalische Qualität“ in den Fokus; es geht um die emotionale Seite wie die intelligenzfördernde Kraft des Musikalischen und auch um die mit Musik verbundenen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Aspekte. Alte philosophische Diskurse wie jener, ob Musik eine Sprache sei, werden aufgegriffen, mehrheitlich aber sind die Fragestellungen direkt gegenwartsbezogen, und zwar wenn es um Musik in der globalisierten Welt und im digitalen Zeitalter geht. Hochaktuell wirkt besonders ein Beitrag zur Urheberrechtsdebatte, welche derzeit so grundsätzlich wie heftig geführt wird.
In einem breiten, interdisziplinären Ansatz tragen die AutorInnen der einzelnen Texte Aussagen von Experten unterschiedlichster Fachrichtungen zusammen: darunter Musikethnologie, Musikpsychologie, Musiktherapie, Medizin, Neurowissenschaft, Evolutionsforschung, Musikwirtschaft und Jurisprudenz. Letztgültige Antworten auf die gestellten Fragen kann man nicht erwarten: Die gemäß der Herkunft aus dem Radio-Feature eher locker gewirkten Texte führen jeweils in offenes Gelände, lassen einen am Widerstreit von Meinung und Gegenmeinung teilhaben und stellen es dem Einzelnen anheim, wie sehr er sich von den zitierten Statements überzeugen lässt.
Ein systematisches Durcharbeiten ist keinesfalls notwendig. Der Leser oder die Leserin mag sich aus den jeweils etwa zehn bis fünfzehn Seiten umfassenden Artikeln nach Lust und Laune auswählen, was ihm oder ihr von Interesse scheint. Vielleicht ist er oder sie ja neugierig zu erfahren, wie Musik beim Hören Gänsehaut entstehen lässt, will gerne wissen, warum die meisten Menschen den Takt mit dem linken Fuß klopfen oder warum vom Hören klassischer Musik beim Autofahren abgeraten wird.
Allzu Tiefschürfendes darf von kurzen Hörfunk-Texten allerdings nicht erwartet werden. Mehr als eine erste Orientierung zum Thema wollen die AutorInnen nicht bieten, doch wird dem Leser, wo seine Neugier geweckt wurde, der Weg zu weiterer Vertiefung gebahnt. Den einzelnen Beiträgen folgen nicht nur Herkunftsangaben und Literaturhinweise, sondern auch Angebote zusätz­licher Materialien, die in einem Quellentext-„Reader“ enthalten oder online abrufbar sind.
Gerhard Dietel