Armstrong, Kit

Snowfall Fading / 3 Impressionen

for Piano Solo / for Piano Solo (left hand)

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Henry Litolff’s/C. F. Peters, Frankfurt am Main 2013
erschienen in: üben & musizieren 2/2015 , Seite 54

Der 1992 in Kalifornien geborene Pianist und Komponist Kit Armstrong zeigte bereits als Kind herausragende Begabung in der Naturwissenschaft wie in der Musik. Er studierte Musik am Curtis Institute in Philadelphia wie an der Royal Academy in London und schloss außerdem ein Mathematikstudium am Imperial College in London ab. Seit 2005 wird er durch den Pianisten Alfred Brendel gefördert.
Armstrongs Komposition Snowfall Fading, im März 2013 in Feldafing entstanden, ist ausschließlich auf weißen Tasten auszuführen. Das knapp zweiminütige Stück verzichtet überraschenderweise ganz auf die höheren Lagen des Klaviers (höchster Ton ist g’). In einem als Anhang abgedruckten Kommentar erläutert der Komponist, er wolle die Zufälligkeit des Falls der Schneeflocken durch die scheinbar zusammenhanglosen Achtel der linken Hand darstellen, zugleich aber die Entstehung vorübergehender Muster zulassen, wie man sie optisch beim Betrachten des Naturphänomens Schneefall wahrnimmt. Das Stück blendet sich gegen Ende in Tempo und Lautstärke aus.
Mit seinen 3 Impressionen legt Armstrong einen originellen Beitrag zum Repertoire der einhändigen, konkret der linkshändigen Klaviermusik vor. Dabei stellt er weder halsbrecherische Virtuosität noch raffinierte klangliche Valeurs in den Mittelpunkt, sondern er gibt einfachen, oftmals meditativen und und rezitativischen Verläufen den Vorzug. Sparsamer Einsatz von polyfonen Elementen und häufiges Verweilen auf Fermaten unterstreichen diesen unspektakulären Ansatz, der auf intime, nur angedeutete Wirkungen abzielt.
So wirkt der „Nachdenkliche Moment“, das erste Stück der kleinen Suite, wie eine zaghafte Improvisation in der Mittellage des Klaviers. „Aeolus“ bringt demgegenüber zumindest für kurze Strecken auch ein motorisches Moment im 6/8-Takt ins Spiel. „Unterhaltung“, das abschließende Stück, entwickelt eine liedhafte bis tänzerische Allegretto-Bewegung in h-Moll-nahem Modus. Alle drei Stücke enden in zartem Pianissimo.
Leider ist die satztechnische Aufbereitung der Impressionen lieblos, eigentlich muss man sagen: unprofessionell geraten. Disproportional in die Länge gezogene Einzeltakte (S. 4, Takt 64; S. 6, Takte 21-23), durch Kleinstichnoten hindurchgehende Haltebögen (S. 7 am Ende), unnötig komplizierte Pausendarstellung (S. 4, Takt 61), zu kurze Notenhälse (S. 4, Takt 64) sowie Überbindungen, deren angebundene Noten fast immer als Rauten erscheinen (eigentlich nur bei klanglichen Sonderwirkungen wie Flageolett oder Geräuschen üblich), erschweren das Erarbeiten der Partitur. Warum ein Pianist Jahrhunderte nach Etablierung der Dichotomie zwischen Violin- und Bassschlüssel nun auch noch den Alt- bzw. Bratschenschlüssel entziffern lernen soll (S. 6/7, Takte 38-46), bleibt völlig unerfindlich.
Rainer Klaas