Bach, Johann Christoph Friedrich

Sonata

für Violoncello und Basso continuo G-Dur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2014
erschienen in: üben & musizieren 2/2015 , Seite 55

„Rechtschaffenheit, Seelengröße, Dienstfertigkeit und Gefälligkeit“ wurden ihm attestiert, und überdies – so lesen wir in Schlichtegrolls Nekrolog von 1795, einem vielzitierten Nachruf – habe sich ihm der Geist seines großen Vaters in reichem Maß mitgeteilt: Johann Christoph Friedrich Bach, ältester überlebender Sohn Johann Sebastian Bachs aus dessen zweiter Ehe, ging in die Musikgeschichte als „Bückeburger Bach“ ein, denn er verbrachte sein gesamtes Berufsleben – zunächst als „Cammer-Musicus“, später als Leiter der dortigen Kapelle – am Hof des Grafen zu Bückeburg.
Als „zufriedene Natur“ wird er geschildert, und dank seines pianistischen Könnens habe er „seines Vaters Clavierkompositionen am fertigsten vorgetragen“. Spätestens dort, wo im Nekrolog von den „Süßigkeiten“ ausländischer Musik die Rede ist, der J. C. F. Bach seine „altdeutsche Kernhaftigkeit“ entgegenstellen konnte, wird deutlich: Im Zuge des aufkeimenden Bach-Kults diente der Bückeburger Bach als höchst willkommener Steigbügelhalter: talentiert, fleißig, rechtschaffen und – deutsch!
Dass seine Werke unabhängig von solch historisierender Überhöhung reizvoll und lohnend sind, beweisen einige in den vergangenen Jahrzehnten wiederbelebte Vokalwerke ebenso wie seine Sinfonien, Klavier- und Kammermusikwerke, darunter die hier vorgelegte G-Dur-Cellosonate. Sie umfasst lediglich zwei Sätze: ein Allegretto in frühklassisch angedeuteter Sonatenhauptsatzform sowie ein Rondeaux. Melodische Anmut, tänzerischer Gestus und spielfreudig bewegte Passagen prägen die Szenerie, nur gelegentlich schimmert in chromatischen Vorhalten und Seufzern der Empfindsame Stil – die musikalische Welt des berühmten Bruders Carl Philipp Emanuel – durch.
Die Überschaubarkeit ihrer cellistischen Anforderungen – alles ist in den unteren Lagen gut spielbar, der Tonraum übersteigt das eingestrichene g nicht – empfehlen die Sonate sehr für den Unterricht mit fortgeschritteneren SchülerInnen. Da eine ältere Bärenreiter-Ausgabe des Werks (herausgegeben von Hugo Ruf) noch greifbar ist, liegt ein Vergleich mit der von Rainer Mohrs edierten Schott-Neuausgabe nahe. Mohrs’ Continuo-Aussetzung kommt einen Tick verspielter daher als diejenige von Hugo Ruf, einige hineinkonstruierte Gegenstimmen in der rechten Hand des Klavierparts muten deplatziert und unidiomatisch an. Hinsichtlich der Textwiedergabe sind beide Ausgaben gleichermaßen urtexttreu. Pluspunkte erhält die Schott-Ausgabe für die insgesamt gute, kompetente Fingersatz- und Strichbezeichnung. Lediglich einigen „Abstrichen“ auf Auftakten und schwachen Taktteilen vermag der Rezensent nicht zu folgen.
Übrigens: Der erste Satz der Sonate umfasst 110 Takte, nicht 111! Im Hause Schott hat offenbar ein törichtes Zählwerk den separat stehenden Auftakt am Beginn der Durchführung als eigenständigen Takt gezählt.
Gerhard Anders