Finkbeiner, Reinhold

Sonate

für Flöte und Klavier (oder Hammerklavier)

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Zimmermann, Frankfurt am Main 2006
erschienen in: üben & musizieren 5/2006 , Seite 71

Die Begegnung mit Musik ist manchmal ein wenig wie das Zusammentreffen zweier noch unvertrauter Menschen: Manchmal „funkt“ es sogleich, ist zumindest eine unspezifische Anfangssympathie da, aus der Freundschaft wachsen kann und die durch Mangel an Hinterfragungsnotwendigkeit unter Umständen doch niemals zu einem wirklichen Kennen wird. Oder aber es kommt zu einem Sich-sperren, einer nicht erklärbaren Kühle, die dann in der aktiven Auseinandersetzung miteinander zu einem echten, tiefen Verstehen wächst. Im einen Fall empfindet man die gleiche Sprache, spricht sie idealer Weise sogar; im anderen Fall erlernt man sie und gewinnt sie durch Aneignen lieb.
So erfordert die Auseinandersetzung mit Reinhold Finkbeiners Sonate für Flöte und Klavier zunächst gutwillige Aktivität, erschließt sich die musikalische Sprache nicht gleichsam mundgerecht zurechtgelegt; nein, die beiden InterpretInnen haben als Mittler für das Publikum die Aufgabe der feinen „Zubereitung“, um damit die Materie überhaupt erst verständlich zu machen.
Der 1929 in Stuttgart geborene Komponist und Organist schrieb die Sonate bereits 1953, uraufgeführt wurde sie jedoch erst 2004 von Jens Josef und Ernst Breidenbach in Darmstadt. Die beiden Künstler entdeckten in der Auseinandersetzung mit dem Werk im „komplexen musikalischen Satz […] sehr eigenen Humor“, wie Jens Josef in seinem Vorwort zu dieser Ausgabe herausstellt.
Komplexität ist in dieser Hinsicht der vordergründige Aspekt, so man sich die Noten genauer anschaut. Hinter den strengen Kompositionsstrukturen, die zunächst so gar nicht sinnenschmeichelnd den kühl analysierenden Geist fordern, erahnt man den jungen Musikstudenten, der sich fasziniert von der Freiheit im Denken intellektuell in der musikalisch gleichermaßen heiklen wie faszinierenden deutschen Nachkriegssituation bewegt. Großen Einfluss auf Finkbeiners musikalische Entwicklung hatte die Teilnahme an den Darmstädter Ferienkursen; die musikästhetische Diskussion in diesem ersten wichtigen Forum für zeitgenössische Musik in der Nachkriegslandschaft spiegelt sich auch in seinem Werk wider.
Die Flötensonate zeigt in ihrer zweisätzigen Form mit einem komplex kommunikativen Allegro und einer faszinierenden Arietta mit ihrem schlichten Thema und den sich anschließenden überraschenden Variationen einen Ausschnitt handwerklich geistvoller Kammermusik mit subtilen Wendungen, die sich zu entdecken lohnt und in der Erarbeitung zunehmend ihre herbe Schönheit offenbart.
Christina Humenberger