Widmann, Jörg
Sonatina facile
für Klavier
Der 1973 geborene Jörg Widmann ist nicht nur als herausragender Klarinettist bekannt, son-dern auch als einer der führenden deutschen Komponisten. Bei seinem hier vorgestellten Klavierstück aus dem Jahr 2016 handelt es sich um ein Werk, das von der Elbphilharmonie Hamburg, der Carnegie Hall sowie von Mitsuko Uchida in Auftrag gegeben wurde. Diese große Pianistin gestaltete die Uraufführung am 18. Januar 2017 in der Elbphilharmonie.
Seit 2007 hat Widmann bereits drei Klavierstücke geschrieben, die sich auf jeweils einen großen Komponisten beziehen: Schumann, Schubert und Brahms. Für die Sonatina facile ließ er sich durch Mozarts 1788 entstandene Sonate C-Dur KV 545 inspirieren, die in ihrer Erstausgabe die Bezeichnung Sonata facile pour le Pianoforte trägt. Im Vorwort zu seiner Komposition drückt Widmann seine Hochachtung für den Altmeister mit folgenden Worten aus: Mozart kann man sich nur in Liebe und Demut nähern. Möglicherweise ist Ehrfurcht auch der Grund dafür, beim eigenen schwierigen Werk auf den Begriff Sonate zu verzichten. Die Sonatina, mit einer Dauer von 13 Minuten, ist dreisätzig angelegt, wobei die Satzbezeichnungen von Mozart übernommen wurden: Allegro, Andante, Rondo.
Jörg Widmann hat seine Komposition in der ihm eigenen Musiksprache geschaffen. Diese hat er geschickt durch Elemente der Mozart-Zeit wie z. B. Alberti-Bässe ergänzt, besonders aber hat er auf natürliche Weise in seine eigenen Ideen Mozarts Melodien partiell eingewoben. Rein technisch gesehen ist Widmanns Werk bedeutend schwieriger angelegt als Mozarts Sonate. Gute MusikerInnen werden sogleich verstehen, was Widmann meint, wenn er im Vorwort schreibt: Seine bekannte C-Dur-Sonate KV 545 heißt zwar facile, aber jeder Pianist weiß: sie ist alles andere als leicht. Es muss aber leicht und schwerelos klingen. Insofern wirkt der Titel facile auch bei Mozart bereits fast wie eine Provokation.
Jörg Widmanns neues Klavierstück ist ein Werk des 21. Jahrhunderts, in dem er mit Bewun-derung auf Mozart zurückblickt. Er hat seine neue Schöpfung genau notiert und Feinheiten so exakt eingezeichnet, dass seine Vorstellung von Interpretation sehr gut vermittelt wird. Als Beispiele seien die Triller erwähnt, die imponierenden variablen Einsätze der Dynamik von ppp bis fff, ja sogar bis zum sffffz in Takt 88 des ersten Satzes, und nicht zuletzt die minutiös festgelegten Pedalangaben, die das musikalische Farbenbild erweitern. Große Griffe, die Oktaven überschreiten, sowie partiell extrem äußere Lagen und andere Probleme zeigen an, dass diese Komposition weitgriffige und sehr sichere SpielerInnen erfordert.
Jörg Widmann hat mit seiner Sonatina facile einen hochinteressanten, bedeutsamen Beitrag zur Klaviermusik geschaffen.
Peter Roggenkamp