Lothar, Mark

Sonatine

für Flöte und Klavier op. 35

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott/Johannes Oertel Verlag, Mainz 2021
erschienen in: üben & musizieren 4/2022 , Seite 61

„Manchmal komme ich mir wie ein Zauberkünstler vor: Irgendetwas beginnt in mir zu klingen, ich schreibe es aufs Papier, und dann kann ich damit die Menschen rühren oder ich kann sie abstoßen – ganz, wie ich will.“ Selten hat ein Komponist die Eckpunkte seines Metiers so lakonisch auf den Punkt gebracht wie Mark Lothar in einem Interview 1956. Diese verbale Leichtigkeit des so folgenreichen musikalischen Tuns spiegelt sich auch in seiner Sonatine für Flöte und Klavier op. 35 wider: im viersätzigen Werk (1940) des vielseitig gebildeten Schreker-/Meiszner-/Wolf-Ferrari-Schülers und Gründgens-Weggefährten zeigt sich mit leichter Hand in nach außen gewendeter Spielfreude facettenreiche koboldhafte Virtuosität, ohne dabei musikalisch-problematisierend in Bedeutungstiefen vorzudringen. Die Spielmusik fordert die versierte Flötistin technisch und rhythmisch auf ansprechende Art und Weise, dialogisch verknüpft mit dem kammermusikalisch agierenden Klavierpart, der zwischen imitatorischer Kommunikation und Begleitung changiert.
Schon im ersten Satz Allegro leggiero entspinnt sich ausgehend vom spielerisch-perlenden Thema ein Vexierspiel zwischen Flöte und Klavier, das rhythmisch und harmonisch trotz überwiegend tonaler Bindung mühelos zu hüpfen scheint und das Pub­likum mit komödiantischem Schwung in eine unkompliziert anmutende Stimmung versetzt. Das dialogisch-imitative Prinzip wendet Lothar auch im nun folgenden fast anekdotisch anmutenden Andante con grazia an, das die helle erweiterte D-Dur-Welt leicht abschattiert nach Des-Dur verdunkelt. Ein unregelmäßiges Pendeln zwischen 6/8- und 9/8-Takt evoziert eine wiegende Barcarolen-Assoziation, die durch feine Lichtspiele zwischen Flöte und Klavier verstärkt werden.
Im dritten Satz Marcietta begegnet uns der koboldhafte Charakter des ersten Satzes wieder – hier allerdings deutlich resoluter, den marschartigen Charakter mit prononcierter Gestik schon fast bildhaft überzeichnet. „Lustig, ziemlich lebhaft“ soll dieser Satz musiziert werden – hier hört man deutlich den versierten Film- und Bühnenkomponisten, der schon im rein Musikalischen bildhafte Handlung auszudrücken vermag.
Im letzten Satz Vivacissimo entfaltet Lothar sprühende Virtuosität, die von beiden InterpretInnen hohes technisches Können und absolute Präzision im Zusammenspiel verlangt: Sei es in feinen rhythmischen Tricksereien, sei es im perlenden Parallellauf virtuoser Skalen – die MusikerInnen finden hier ein höchst wirksames Stück funkelnder Zugabenpräziosen!
Mark Lothars Sonatine zeigt in kurzer Aufführungsdauer (angegeben sind ca. zehn Minuten) auf kleinem Raum ein eindrucksvolles Bild eines versierten Komponisten, der mit vielseitig gebildetem, spielerisch-fundierten Handwerk, mit humoristisch-ironischen Brechungen, Wissen um Wirkung und mit der Fähigkeit, auch in der kleinen kompositorischen Dimension punktgenau zu charakterisieren, überzeugt.
Christina Humenberger