Gartenzaunkonzert vor einer Kita in Hannover

Sonderpreis „Elementare Musikpraxis digital“

Nominierungen für den Medienpreis LEOPOLD – Gute Musik für Kinder

Rubrik: Digital
erschienen in: üben & musizieren 6/2021 , Seite 46

Die 13. Ausgabe des Medienpreises LEOPOLD – Gute Musik für Kinder, ausgeschrieben vom Verband deutscher Musikschulen (VdM), hielt eine neue Kategorie bereit: den  Sonderpreis „Elementare Musikpraxis digital“. Dieser Preis wurde „für beispielhafte  Formen digital gestützten Lernens in der Elementaren Musikpädagogik“ vergeben.

Jury-Vorsitzender Reinhart von Gutzeit äußerte sich begeistert über die künstlerische Kreativität und musikalische Qualität der für den Wettbewerb eingereichten Produktionen: „In dieser schwierigen Zeit, wo Familien und Kinder in nie gekannter Weise ans Haus gefesselt sind, können gute kindgerechte Hörmedien eine große Hilfe sein, um Zeit sinnvoll zu gestalten und Kontakt zu einer Außenwelt zu behalten, die Kindern und Jugendlichen hoffentlich bald wieder offen stehen wird.“ Die sechs nominierten Projekte stellen sich in diesem Beitrag vor.

Clara-Schumann-Musikschule Düsseldorf

Videoproduktion der Fachgruppe EMP
Die für den Medienpreis LEOPOLD nominierten zwölf Videos der Fachgruppe EMP der Clara-Schumann-Musikschule Düsseldorf stehen exemplarisch für über 50 Video-Produktionen und sind während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 entstanden. Erklärtes Ziel war, den Kontakt zu den Kindern digital zu halten und ihnen hochwertige musikpädagogische Inhalte zu vermitteln. Zusätzlich wurde auf diese Weise ein „Wiedersehen“ mit der jeweiligen Lehrkraft während des Lockdowns ermöglicht.
Die Videos, die inhaltlich voneinander unabhängig sind, enthalten Lieder in verschiedenen Sprachen, witzige und nachdenkliche Texte, Anregungen zum partizipativen Mitgestalten, Mit- und Nachsingen, theat­ralische Szenen, Informationen zu Instrumenten und musiktheoretischen Inhalten und decken so auf kreative Art und Weise einige Sach- und Handlungsfelder der EMP ab. Sie wurden mit einfachen Mitteln durch das Kollegium erstellt, live eingespielt und kaum geprobt, sodass in manchen Fällen auch improvisatorische Inhalte entstanden sind. Das breite Spektrum von Inhalt und Machart der Videos spiegelt die Diversität des Kollegiums wider. Der (oft unausgesprochene) Aufforderungscharakter der Videos zeigt sich in der Art der Präsentation. Kinder im Vorschulalter sollten auch zu Hause angeregt werden, sich zu bewegen, zu singen und mit einfachen Mitteln zu musizieren.
Auch wenn die Videoproduktionen viel Freude bereitet haben, werden in der EMP nach der Corona-Pandemie wieder der reale Unterricht und die reale Begegnung an erster Stelle stehen. Es ist aber geplant, dass die Videos aus der Zeit des Lockdowns und weitere digitale Medien zukünftig im EMP-Unterricht der Clara-Schumann-Musikschule ergänzend als Unterrichtsinhalte eingesetzt werden.
Julianne Ebener und Doris Bischler

Musikschule der Landeshauptstadt Hannover

Viren und Bakterien / Ein langweiliges Lied
Die beiden von der Musikschule der Landeshauptstadt Hannover eingereichten „Lockdown-Lieder“ Viren und Bakterien und Ein langweiliges Lied sind im Homeoffice entstanden, entwickelt von Lehrkräften der Fachgruppe Elementare Musik-Chor-Tanz: Hannah Marie Heuking (Komposition/ Klarinette), Heidrun Lotte Gratzel (Choreografie/Tanz) und Anita Sreckovic (Akkordeon). Beide Lieder waren im Lockdown – wie viele weitere Beiträge der Fachgruppe – Teil eines Videoprogramms der Musikschule und wurden in vorsichtigen Restart-Zeiten im Rahmen von „Gartenzaunkonzerten“ für Kinder aus kooperierenden Kitas präsentiert.
Die Videos richten sich an Kinder in Kita und Grundschule, die wöchentlich in Kooperation mit der Musikschule an musikalisch-tänzerischen Angeboten teilnehmen. Durch den Lockdown rissen alle direkten Kontakte abrupt ab. Die Lehrkräfte waren entschlossen, neue Wege für den Austausch mit den Kindern zu finden, woraus sich auch schnell neue Arbeitsumgebungen ergaben: der Teppich als Bühne, die Nachttischlampe als Scheinwerfer, das Handy statt Kamerateam – und fertig war das kunterbunte Wohnzimmerstudio.
Viren und Bakterien: Diese Begriffe hatten jüngere Kinder bis zum Beginn der Pandemie kaum gehört. Das Lied und der Tanz vermitteln einfach und humorvoll Strategien im Umgang mit Corona. Ein langweiliges Lied knüpft an die vielen Tage ohne Kita, Schule, Freunde an – da kann einem schon mal die Decke auf den Kopf fallen. Diese Erfahrung machten viele Kinder. Mit gähnender Langeweile beginnt das Lied, verharrt dort aber nicht, sondern bietet lebendige Ideen: Oma anrufen, Bilder malen, um den Tisch rennen. Die Kinder können sofort mitmachen, eigene Spontaneität entwickeln, Strophen hinzudichten. Besonders reizvoll ist der Spannungswechsel der beiden Liedteile, von lento zu vivace.
2021 wurden die Lieder zu Keimzellen in einem ganz neuen Projekt: „Töne, Tänze, Tasten aus dem Flimmerkasten“ – eine regelmäßige Fernsehsendung der Musikschule und des Senders h1 als alternatives musikbezogenes Bildungsprogramm für Kinder.
Hannah Marie Heuking und Sabine Kleinau-Michaelis

Musikschule Bad Nauheim

Musikschule für Zuhause
Für die Eltern-Kind-Kurse und die Musikalische Früherziehung an der Musikschule Bad Nauheim hatten die EMP-Kolleginnen 2020 und 2021 rund 50 Unterrichtsvideos für Kinder von ein bis sechs Jahren erstellt. Während des Lockdowns erhielten alle Teilnehmenden ein- bis zweimal wöchentlich ein neues Video, um ein Stück Musikschule und Normalität zu den Teilnehmenden der Kurse „Eltern-Kind“ und „Musikalische Früherziehung“ nach Hause zu bringen.
Im Teamteaching wurden ab März 2020 zunächst von zwei EMP-Kolleginnen lebendige und vielseitige Unterrichtsstunden zu unterschiedlichen Themen konzipiert, in denen verschiedene Lieder und Spiele abwechslungsreich aufgegriffen werden. Auf diese Weise können die Kinder die Musikstunden gemeinsam mit ihren Eltern am Bildschirm erleben sowie mitsingen, tanzen und musizieren. Ab November 2020 ist das Video-Team auf vier Kolleginnen angewachsen, damit jedes Kind seine Lehrerin in den Videos erleben konnte.
Während in den ersten Videos mit Alltagsgegenständen wie Löffeln und Töpfen musiziert und zum Basteln kleiner Instrumente animiert wurde, konnte ab November auf das „Musikschul-Set“ zurückgegriffen werden: Für die EMP-Kurse, die zwischen September und November 2020 noch im großen Saal der Musikschule stattfanden, wurde an alle Teilnehmenden ein eigenes Instrumenten-Set ausgegeben, das u. a. aus Rasseleiern, Glockenstäben und Chiffontüchern bestand. Dieses Instrumentarium konnte nun auch in den Videos eingesetzt werden.
Auch wenn Videos das Live-Erlebnis einer Musikstunde nicht ersetzen können, waren die Eltern sehr dankbar über diese digitale Brücke zwischen Musikschule und Zuhause. Die Erfahrungen der engen Zusammenarbeit und des Teamteachings lassen die Kolleginnen nun in andere Konzepte wie Freiluft-Unterricht oder neue Kinderkonzerte einfließen.
Lucie Meltke

Musikschule Bad Salzuflen

Mucke.TV
Mucke.TV ist eine Online-Video-Reihe für Kinder und ihre Eltern mit Inhalten rund um das Thema Musik, die im April 2020 vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie entstanden ist. Ziel war und ist, mit musikbezogenen Inhalten und Späßen insbesondere Kindern während des Lockdowns eine Freude zu machen. Mucke.TV möchte Kinder (und Eltern) für Musik interessieren und grundlegende Inhalte unkompliziert transportieren. Neben Liedern und musikalischer Performance gibt es kurze Wissensbeiträge, Geschichten, Puppenspiel etc. rund um das Thema Musik. Auch Mitmach-Angebote wie Instrumentenbau aus Haushaltsgegenständen, Lieder zum Mitsingen und Tänze sind enthalten. Jedes Video setzt sich aus mehreren in der Regel ein- bis fünfminütigen Beiträgen zusammen, die insgesamt ca. eine halbe Stunde Spielzeit ergeben. Hierfür werden musikbezogene Fakten nach dem Vorbild der Sendung mit der Maus kindgerecht aufbereitet und vermittelt, indem die erwachsenen Moderatorinnen und Moderatoren auf Augenhöhe mit den Kindern agieren.
Mucke.TV nutzt die Potenziale der Online-Präsentation. Das Format ermöglicht Kindern und Eltern, zu selbst gewählten Zeiten zusammen Musik zu machen und musikalische Experimente durchzuführen. Es ermöglicht außerdem die beliebig häufige Wiederholung von Inhalten, z. B. von Liedern zum Mitsingen. Grenzen erreicht das Format an der Stelle, wo Kinder beim musikalischen Ausprobieren außer von den Eltern direkte Unterstützung durch Lehrende benötigen würden.
Gedreht wurde Mucke.TV mit Smartphones und Kameras, die Tonaufnahmen wurden mit Ansteck- und Raummikrofonen gemacht. Off-Texte und Musik wurden in der Musikschule Bad Salzuflen produziert. Das Bild- und Tonmaterial wurde ebenfalls im kleinen Musikschulstudio nachbearbeitet, geschnitten und gerendert.
Mucke.TV soll bleiben und aufgrund der tollen Resonanz auch nach der Corona-Zeit weiterproduziert werden.
Stephan Otters

Ohrenspielerei

Wir lernten uns während des Stu­diums der Elementaren Musik- und Tanzpädagogik (EMTP) am Orff-Institut Salzburg kennen. Das Arbeiten mit Neuen Medien entwickelte sich zu einem unserer Schwerpunkte. Durch die Corona-Pandemie wurde die Idee, einen Podcast oder ein Hörbuch für Kinder zu erarbeiten, immer konkreter. So entstand das musikalische Hörspiel Dodo auf der Suche nach der Musik zum Mitmachen und Mitsingen, in dessen Entwicklungsprozess uns der Transfer der vielfäl­tigen und ganzheitlichen Prinzipien der EMTP sowie die aktive Teilnahme der HörerInnen ein großes Anliegen war.
Im Mittelpunkt des Hörspiels für Kinder von fünf bis acht Jahren steht das Entdecken der eigenen Stimme und deren Ausdrucksmöglichkeiten. Die Kinder können eintauchen in eine bunte Welt von Musik, Tanz und Sprache und durch Mitmach­angebote ihren Körper und die klingende Welt um sich herum erforschen. Haupt­figur Dodo führt gemeinsam mit einer Erzählerin auf der Suche nach der verlorenen Musik in zehn Folgen durch verschiedene musikalische Themen und Aufgaben, wobei die Handlung in einer Fantasiewelt spielt: frei von ländertypischen Klischees in Ländern wie Harmonia oder Flautanien.
Ergänzend gibt es eine Website, auf der die Kompositionen, weitere Spielideen und Materialien zu den Folgen, Singalongs und vieles mehr zu finden sind. Geplant ist zudem ein Bereich für PädagogInnen mit zusätzlichen fachspezifischen Materialien und Hinweisen.
Marie-Theres Richtsfeld
und Marie-Kristin Burger

Laura’s Rhythmik-Koffer

Im November 2020 entstand Laura’s Rhythmik-Koffer, ein kostenfreies musikalisches Online-Bildungsangebot für Kinder bis sechs Jahren. Laura’s Rhythmik-Koffer macht sich jede Woche am „Mitmach-Montag“ über Instagram auf die Reise und bringt Kindern ein musikalisches Mitmach-Video.
Jedes Video befasst sich schwerpunktmäßig mit einem Inhaltsbereich der Elementaren Musikpädagogik, der Rhythmik oder des kreativen Kindertanzes und orientiert sich an der Lebenswelt der Kinder. Durch Singen und Sprechen, Tanzen und Bewegen, elementares Instrumentalspiel und einfache Instrumentenkunde wird Musik im (Lockdown-)Alltag spielerisch integriert sowie ganzheitlich, mit allen Sinnen musikalisch erlebbar und erfahrbar gemacht. Dabei werden verschiedene Ausdrucksmöglichkeiten beim elementaren Musizieren und Bewegen mit dem eigenen Körper, der (Sing-)Stimme und Sprache und kreativen Materialien erforscht.
Die Mitmach-Videos können flexibel oder in der hochgeladenen Reihenfolge angeschaut werden und sollen in erster Linie Freude an Musik und Bewegung wecken. Sie laden in einem geschützten Rahmen, nach eigenen Fähig- und Fertigkeiten, zum individuellen Mitmachen, Ausprobieren und Gestalten ein. Kurze Info-Texte unter jedem Video halten viele Praxistipps, weiterführende Spielideen und Impulse für Eltern, pädagogische Fachkräfte und Interessierte zur fantasievollen Auseinandersetzung und Weiterarbeit bereit. So wird eine Grundlage für einen nachhaltigen musikalischen Alltag geschaffen. Austausch und Rückmeldungen über Instagram ermöglichen aktuelle Bezüge bei der musikalischen und inhaltlichen Gestaltung.
Auch nach der Pandemie wird der Rhythmik-Koffer wöchentlich Musik für Kinder in die Welt tragen und sich als festes musikalisches Online-Bildungsangebot etablieren, das unterstützend und ergänzend genutzt werden kann.
Laura Isabel Biastoch

http://www.rhythmik-koffer.de/

Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 6/2021.