Richter, Brad

Song of the Wild / Lieder der Tiere

Eine musikalische Reise durch die Tierwelt. 32 fantasievolle Gitarrenetüden für Kinder, mit CD

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Acoustic Music, Osnabrück 2008
erschienen in: üben & musizieren 5/2008 , Seite 59

“Song of the Wild” ist eine Sammlung für Kinder, die sich mit ers­ten Stücken auf der Gitarre versuchen möchten. Ansteigend in den Schwierigkeitsgraden, aber immer einfach bleibend, wird mit pentatonischem Material begonnen. Es wird nach und nach auf siebenstufige modale Skalen erweitert. Es werden der äolische und jonische Modus bevorzugt, gelegentliche Chromatizismen reichern den Satz an. Nur ein Stück ist dur-moll-tonal komponiert.
Die Etüdensammlung besteht aus 34 (Einband und Vorwort sprechen irrtümlicherweise von 32) kleinen Kompositionen. Aber sechs von sieben Duos und das Trio des Bandes kombinieren lediglich Einzelstücke. Nur elf der Solostücke sind originär konzipiert. Die 15 anderen sind kont­rapunktisch für den Einsatz im mehrstimmigen Verbund angelegt.
Song of the Wild ist also programmatische Umsetzung und Verklanglichung von 26 Tieren: so etwa der Qualle, der Fliege, der Ameise, der Gottesanbeterin, um nur die ersten vier zu nennen. Ganzseitige Illustrationen und einige Anmerkungen (immer alles in Englisch und Deutsch) führen die Tiere vor Augen. Dürftige, lediglich schlagwortartige Anmerkungen zur Spieltechnik – wie 2. Lage, fis, Tonart (S. 23) – ergänzen die Stücke.
In der klanglichen Umsetzung außermusikalischer Inhalte sieht Brad Richter die Möglichkeit, Kinder altersgemäß mit den Spieltechniken der Gitarre vertraut zu machen. Hierin sieht er das eigentliche pädagogische Profil seiner Veröffentlichung. Doch gerade diesen programmatischen, tiermetaphorischen Ansatz erachte ich für problematisch. Es gelingt mir buchstäblich in keinem Fall, das benannte Tier in seiner klanglichen Beschreibung wiederzuerkennen. Ich sehe nicht, wie etwa eine sich wiederholende kleine Terz h-d’ eine Qualle zur Darstellung bringen könnte. Aus meiner eigenen pädagogischen Erfahrung weiß ich, wie verdrießlich Kinder reagieren können, wenn sich die zu assoziierende Metapher nicht recht mit dem musikalischen Abbild verknüpfen lässt. Nicht selten zeigen sich programmatische Vorgaben in Kompositionstiteln als hinderlich bei der Befassung mit den musikalischen Inhalten.
Die Entsprechung musikalischer Sachverhalte mit außermusikalischen Inhalten ist allemal problematisch. Was etwa macht, wie in der vorliegenden Sammlung, einen Elefanten zu einem „lokrischen Wesen“? Und um auf das Terzmotiv der Qualle zurückzukommen: Selbst mit der in unserem Kulturkreis konnotierten fallenden Kleinterz des Kuckucksrufs ist es auch nicht mehr das, was es einmal war. Unsere Kinder wachsen mittlerweile in urbanen oder biologisch toten Umwelten auf, in denen die Erfahrung des Kuckucksrufs einfach nicht mehr gegeben ist. Und spielt man ihnen die den Kuckuck symbolisierende Kleinterz vor, sieht man in ratlos fragende Kinderaugen.
Anton Förster