Spectrum for Clarinet
16 contemporary pieces, compiled by Ian Mitchell, mit CD
Es ist erfreulich, dass sich die Bedeutung und Vermittlung der zeitgenössischen Musik im Instrumentalunterricht in einer Reihe von Neuerscheinungen niederschlägt. Für die Klarinette liegen nunmehr zwei wichtige Materialien vor. Kürzlich erschien als Einführung in die neuen Spieltechniken mit einigen Übungsstücken Clarinet update von Stump/Linshalm. Jetzt liegt in der Reihe Spectrum, die von der englischen Dachorganisation der Musikschulen ABRSM herausgegeben wird, eine Sammlung von kurzen Kompositionen aus dem englischsprachigen Raum vor.
In dieser Reihe werden zeitgenössische Kompositionen für jeweils ein Instrument – gegebenenfalls mit Klavierbegleitung – zusammengestellt, die unterschiedlichen technischen Anforderungen genügen sollen. Für den sechsten Band der Reihe, es liegen bereits vier Bände für Klavier und ein Band für Violoncello vor, hat der englische Klarinettist Ian Mitchell sechzehn Kompositionen ausgewählt.
Die meisten Stücke werden vom Klavier begleitet und haben eine Länge von ein bis drei Minuten. Sie tragen häufig programmatische Titel, die das Verständnis der Kompositionen erleichtern. Entsprechend der progressiven Anordnung werden auch zunehmend neuere Spieltechniken verwendet.
Peter Wiegold eröffnet das Heft mit Head of Steam, einer Dampfmaschinen-Imitation unter Einsatz von Stimme, Klappenklängen, Atemgeräuschen und stampfenden Klavierakkorden. Dorothee Eberhardt steuert einen Pas de deux bei und geht dabei wie Wiegold nicht über b’ hinaus. Mit einem etwas erweiterten Tonraum arbeiten Joe Duddell in Leave this City und das von lateinamerikanischen Rhythmen geprägte Skip von Errollyn Wallen sowie Song of the Night Sky von Nicola LeFanu. Gavin Bryars Some Time before Dawn, Robert Saxtons Song without Words, ein Duet von Richard Causton und Marsh Lanterns von Tony Coe sind lyrische Stücke, die noch mit traditioneller Spieltechnik auskommen.
Anspruchsvoller und musikalisch aussagekräftiger sind die Stücke für fortgeschrittene Mittelstufen-Schüler: Expressivität erfordert in hohem Maße Carnac des international renommierten Mark Anthony Turnage; sensibles Spiel und Multiphonics verlangt Anthony Gilbert in Litany. In Bells Music for St. Casimir von Sadie Harrison bestimmen zarte Glissandi die Melodik der Klarinette, der Klavierglockenklänge gegenübergestellt werden, während Philip Grange mit Tremolo-Effekten und den Tiefenregionen des Klaviers ein düsteres Bild Goyas nachzeichnet.
Eindrucksvoll sind die Solostücke Alone von Elena Firsova, Summer Fancy von William O. Smith und Bee Navigation von Libby Larsen, die mit Ausnahme von Firsovas Komposition zeitgenössische Spieltechniken erfordern.
Nur bei wenigen Stücken hat man etwas den Eindruck, dass es sich um „pädagogische“ Literatur handelt, die meisten überzeugen durch ihre Gestaltung und fordern die jungen SpielerInnen zu einer ernsthaften Auseinandersetzung heraus.
Das Ausführen der klavierbegleiteten Stücke von Gleichaltrigen wird allerdings nicht immer möglich sein, da der Klavierpart stets etwas höhere Anforderungen an das Spielvermögen stellt. Die stilistische Vielfalt und der steigende Schwierigkeitsgrad machen Spectrum for Clarinet zu einem nützlichen und Gewinn bringenden Begleitheft. Um sich einen guten Eindruck von den Stücken zu verschaffen, ist dem Heft eine CD beigefügt, auf der Ian Mitchell und Thalia Myers alle Stücke eingespielt haben.
Heribert Haase